Brücken verbinden Menschen. Nicht jedoch die Waldschlösschenbrücke in Dresden: Ihr Bau führt zu jahrelangem Streit in der Stadt und zu Schlagzeilen in ganz Deutschland. Letztlich verliert Dresden sogar den Titel "Unesco-Welterbe Kulturlandschaft Dresdener Elbtal".
Mehrheit der Dresdener will die Brücke
"Es ist blöd gelaufen", sagt der Journalist Jürgen Keimer. "Die Unesco hat 2004 dem Tal den Titel Welterbe gegeben: Stadt plus Natur plus Fluss." Zwar gab es schon Pläne für eine Brücke, konkret lagen sie bei der Entscheidung aber nicht vor. "Dann kam 2005 der Bürgerentscheid – und der machte die ganze Sache fast unmanövrierbar", sagt Keimer.
Die Mehrheit der Dresdener Bevölkerung spricht sich 2005 in einem Bürgerentscheid nämlich für die Waldschlösschenbrücke aus. Die Menschen erhoffen sich weniger Staus in der Stadt, denn andere Brücken wie das Blaue Wunder und auch verschiedene Zubringerstraßen sind seit Jahren völlig überlastet.
Natürlich gibt es auch andere Brücken im Elbtal, die im Dresdner Stadtgebiet liegen. "Die liegen aber näher am Flussufer, tiefer und dominieren es nicht so", erklärt Jürgen Keimer. Die Waldschlösschenbrücke quert die Elbauen an einer ihrer breitesten Stellen.
Unesco fällt eine für Europa einmalige Entscheidung
Die Unesco findet: Mit der Brücke sind die Blickachsen im Elbtal gestört. "Ein ganz entscheidendes Kriterium war, dass im Elbtal historische Sichtbeziehungen vorhanden sind: zum Beispiel von den bekannten Elbschlössern zur Innenstadt, zum Beispiel vom Turm der Frauenkirche in die umgebende Landschaft hinein", erklärt Michael Kloos, Gutachter für die Unesco.
Am 25. Juni 2009 fällt die Unesco eine dramatische Entscheidung, einmalig in Europa: Sie erkennt dem Dresdener Elbtal den Titel von 2004 wieder ab. Die Dresdener Bevölkerung ist hin und her gerissen. "Von mir aus kann der Titel weg sein. Ich bin froh, dass die Brücke gebaut wird", sagt eine Anwohnerin. Andere Bürger betonen: "Ich finde es schade. Das ganze hätte nicht diese dramatische Entwicklung nehmen müssen." Und Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) spricht tröstende Worte: "Es ist bitter, aber Dresden ist so schön, dass es trotzdem Welterbe ist."
Touristen kommen weiter in die Stadt. Aber der Makel bleibt. "Es geht nicht nur um einen Titel, sondern es geht um ein universelles Erbe, das unter Schutz gestellt werden sollte", sagt Eva-Maria Stange (SPD), Ministerin für Kunst und Wissenschaft in Sachsen.
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