Anton Szandor LaVey verdient sein Geld wie jeder andere Priester. Zumindest sieht er selbst das so. "Ich lehre Menschen, die zu meinen Versammlungen kommen", sagt er in einem Interview. Allerdings unterrichtet er sie "in Okultismus – nicht nur Satanismus, sondern auch Voodoo, westindische Magie, afrikanische Magie, nordische Mythologie. Und ich helfe Menschen bei verschiedenen Problemen, kläre sie auf über traditionelle Praktiken und ausgefallene Religionen."
LaVey ist der Hohepriester der "Church of Satan", die er nach eigener Aussage in der Walpurgisnacht am 30. April 1966 in San Francisco gründet. Berufen kann er sich dabei auf Aleister Crowley, der sich 1904 zum "Anti-Christen" ausruft. Wo Christi Nachfolger die aus dem Judentum übernommenen Zehn Gebote haben, kennen Crowley und LaVey im Grunde vor allem eins: "'Tu, was du willst' soll sein das ganze Gesetz."
Gott ist tot, Satan lebt
Geboren wird LaVey 1930 in Chicago. Musikalisch begabt, wächst er von seinen Mitschülern isoliert heran. Später dichtet er viel an seiner Biografie herum. Vielleicht ist er der Enkel einer transsilvanischen Großmutter, vielleicht hat er als Dompteur oder Orgelspieler im Zirkus gearbeitet, vielleicht war er Tatortfotograf der Polizei und mit Marilyn Monroe bekannt – so richtig sind Legende und Wahrheit nicht mehr zu unterscheiden. Fest steht, dass LaVey die christliche Doppelmoral der frommen Familienväter, die abends das Bordell besuchen, verabscheut.
LaVey findet, dass man sich für Gott oder ein fleischliches Leben entscheiden müsse. Er selbst wählt letzteren Weg: "Du musst deine eigene Existenz genießen, bevor du dich anderen zuwendest!" lautet seine Botschaft, die er auch 1969 in seiner "Satanischen Bibel" verkündet. Dem guten Gott, den es nicht gebe, stellt er dabei das personifizierte Böse gegenüber. So stößt er auf den Namen des gefallenen Engels: "Satan bedeutet Widerstand gegen alle Religionen, die den Menschen wegen seiner natürlichen Instinkte verurteilen", hält er in seiner "Bibel" fest.
Sammy Davis Jr. als Ehrenmitglied
In einer Zeit des Vietnamkriegs, in der die Flower-Power-Jugend vor allem in San Francisco gegen die überkommenden Werte der Vätergeneration rebelliert und die Beatles auf dem Albumcover von "St. Peppers Lonely Hearts Club Band" (1967) auch den Satanisten Crowley verewigen, wird LaVey zum Medienstar. Der Mann mit dem akkurat geschnittenen Ziegenbärtchen und der angeblich bei Kirchengründung in einer rituellen Zeremonie geschorenen Glatze ist in Talkshows zu Gast, ziert die Titelseiten von Magazinen und avanciert zum Berater von Horrorfilmen. In "Nachts, wenn die Leichen schreien" (1975) ist er an der Seite von Ernest Borgnine und John Travolta in einer Nebenrolle zu sehen.
Auch wenn die "Church of Satan" nie Mitgliederzahlen veröffentlicht, so hat sie doch einige prominente Mitglieder und Ehrenmitglieder, die diesen Status, von LaVey eingeladen, ausdrücklich akzeptieren. Jane Mansfield und Sammy Davis Jr. gehören dazu ebenso dazu wie Marilyn Manson. Kichenhauptquartier ist ein Gebäude im viktorianischen Stil mit schwarzen Wänden, schwarzen Vorhängen und einem Pentagramm auf dem Kaminsims. Hier entwickelt LaVey seine Rituale, die er teils auf der Orgel selbst begleitet, mit Glocken, Kelchen, Kerzen, Flüchen und nackten Frauen auf dem Hausaltar des Bösen.
Bis heute erreicht die "Church of Satan" Menschen mit Büchern, Seminaren und Events. Den blutroten Mitgliedsausweis gibt es für eine Spende. Gründer Anton Szandor LaVey stirbt 1997 in San Francisco an den Folgen eines Herzfehlers.
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. April 2016 ebenfalls an die Gründung der "Church of Satan". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.