In einer Nacht des Jahres 410 erklingen am Fluss Busento bei Cosenza in Kalabrien dumpfe Lieder. Flussauf- und flussabwärts ziehen die Schatten tapferer Goten, die "ihres Volkes besten Todten" Alarich beweinen.
Niemand weiß, ob es so war. Aber der romantische Dichter August von Platen hat es sich in seinem Gedicht "Das Grab im Busento" Anfang des 19. Jahrhunderts so ausgemalt. Hier wird Alarich als Gotenkönig mit nationalem Pathos gar samt Pferd im Fluss bestattet: "Allzufrüh und fern der Heimath mussten hier sie ihn begraben, / Während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben".
Eroberer der ewigen Stadt
Im Hinblick auf dichterische Freiheit und phantastische Ausschmückungen kann von Platen aus dem Vollen schöpfen: Über die wahre Person Alarichs nämlich ist kaum etwas bekannt. Vermutlich ist er vom Stamm der Skythen. Geboren wird er um 370 nach Christus als Spross einer adeligen Familie irgendwo im Donau-Delta des heutigen Rumänien. Mit 20 oder 24 Jahren wird er zum Anführer der Westgoten – so lautet der Sammelbegriff der Bewohner jener Region bei den Römern.
Bald darauf steht Alarich als Heerführer in römischem Dienst. Theodosius dem Großen hilft er, das innerlich zerrissene Reich zusammenzuhalten. Nach dessen Tod zerfällt es trotzdem in den Händen seiner beiden Söhne in West und Ost. Alarich wird entlassen und zieht anschließend mit seinen Truppen in ständig wechselnder Mannstärke auf dem Balkan, in Griechenland und im Alpenraum umher, raubt und brandschatzt. Im Jahr 408 steht er zum ersten Mal vor den Toren Roms. Zwei Jahre später gelingt es ihm, in die ewige Stadt einzudringen, wo seine Truppen morden und plündern. Zuvor hatte er noch angeboten, mit seinen Mannen friedlich, aber gut versorgt als Bürger Roms leben zu wollen.
Gleiches Schicksal wie Arminius
Die Eroberung Roms versetzt die christliche Welt in Schockstarre. Daran ändert auch nichts, dass Alarich selbst christlich und die Eroberung von rein symbolischer Bedeutung ist. Politisch und militärisch hat die barbarische Übernahme nämlich keinerlei Auswirkungen: Der weströmische Kaiser hat ohnehin in Ravenna sein Domizil. Auch verspürt Alarich keinerlei Lust, in der Stadt zu bleiben, sondern zieht noch im Eroberungsjahr 410 nach Cosenza weiter. Noch im selben Jahr stirbt er und wird angeblich mit enormen Schätzen im Fluss Busento begraben.
Bereits das späte Mittelalter stilisiert Alarich zum nationalen Helden und frühen Deutschen. Im Nationalsozialismus wird er zum Germanen, der auf der Suche nach Lebensraum in Rom ein neues Reich errichten will. Damit ereilt ihn posthum das gleiche Schicksal wie den Bezwinger römischer Legionen Arminius.
Noch heute sollen hunderte Schatzsucher im Busento nach Alarichs Beute graben.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 7. Dezember 2020 ebenfalls an Alarich I.. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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