Eigentlich soll der Passat mit dem Namen "Leonie" alles alleine machen: Gaspedal drücken, bremsen und lenken. Doch die Konstrukteure, die jahrelang an dem selbstfahrenden Auto getüftelt haben, sind am 8. Oktober 2010 nervös. "Meine Hände haben tatsächlich das Lenkrad noch festgehalten", räumt Andreas Reschka ein. Der Wissenschaftler ist als Sicherheitsfahrer auf "Leonies" Jungfernfahrt im Wagen.
Eingreifen muss Reschka nicht, "Leonie" besteht die erste Fahrprüfung mit Bravour. Als weltweit erstes Auto, das nicht von einem Fahrer gelenkt wird, legt der Kombi drei Kilometer durch den regulären Stadtverkehr von Braunschweig zurück. Der Traum vom autonomen Auto - einst mit "Herbie" und "Knight Rider" auf der Leinwand begonnen - rückt ein bisschen näher.
Vollgestopft mit Technik
Anders als die selbstfahrenden Autos im Kino kommt "Leonie" allerdings eher bieder daher. Das graue Mittelklassemodell hat auf dem Dach einen funktionalen Aufbau mit Laserscanner, der sich blitzschnell um 360 Grad dreht. Er übermittelt zusammen mit Sensoren und Kameras Daten über Abstand und Bewegungen anderer Fahrzeuge sowie möglicher Hindernisse in Echtzeit an die Bordelektronik. "Zehnmal pro Sekunde scannen wir einmal das komplette Umfeld ab", erklärt Reschka. Dadurch kann der Wagen das Tempo blitzschnell an die jeweilige Verkehrssituation anpassen.
Nur Ampeln kann "Leonie" nicht erkennen, die Trefferquote liegt lediglich bei 90 Prozent. Ein Beifahrer muss während der Testfahrt die Ampelfarben per Hand ins System hacken. Erst zwei Jahre später bringt ein Projekt mit de m Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) die Lösung: Die Ampeln teilen dem Auto per WLAN mit, in welcher Phase sie gerade sind. "So können wir unsere Geschwindigkeit anpassen und entsprechend mit einer grünen Welle über den Stadtring fahren", sagt Reschka. Das Auto bewegt sich so nicht nur selbst, sondern mit dem minimalsten Spritverbrauch. Und die Technik soll die Zahl der Unfälle senken.
Noch ist der Mensch der Technik überlegen
Doch noch ist der Mensch unverzichtbar, vor allem wenn innerhalb der Stadt zu viel gleichzeitig passiert: Ein Lkw parkt in der zweiten Reihe, ein Fahrradfahrer biegt links ab und gegenüber repariert ein Bauarbeiter den Gulli. Da kommt "Leonie" an ihre Grenzen. "Der Mensch ist besser und schneller, wenn es darum geht, viele Objekte, die um ihn herum sind, für seine Fahrentscheidung zu berücksichtigen", erklärt Reschka.
Aber auch dafür wird sich wahrscheinlich einmal eine Lösung finden. Immerhin arbeiten weltweit Universitäten, Autohersteller und Zulieferer an autonomen Automobilen und liefern sich einen Wettlauf mit Google, Apple & Co, die ebenfalls experimentieren. Die IT-Konzerne wollen vor allem, dass die Fahrer die freie Zeit hinter dem Lenkrad für ihre Dienste nutzen: im Internet surfen, telefonieren, Mails checken.
Bevor es soweit ist, müssen noch einige Fragen geklärt werden: Wer haftet, wenn ein selbstfahrendes Auto einen Unfall baut? Wie schützt man Autos, die Daten über das Internet bekommen, vor Hackern? Dennoch ist der Braunschweiger Projekt-Koordinator Andreas Reschka zuversichtlich, dass das selbstfahrende Auto kommt. "Auf der Autobahn wird es in fünf bis sieben Jahren durchaus möglich sein, dass man sich vom Verkehr abwendet und das Fahrzeug fährt. In der Stadt aber erst in 25 bis 30 Jahren."
Stand: 08.10.2015
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 8. Oktober 2015 ebenfalls an das erste automatische Auto auf deutschen Straßen. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.