Flächenmäßig gesehen steht in Leipzig der größte Kopfbahnhof Europas: Jeder einfahrende Zug muss den Bahnhof wieder in entgegengesetzter Richtung verlassen. Die Leipziger Stadtverwaltung hat dies Ende der 1880er Jahre so verfügt. Nur so könne ein repräsentativer Bahnhof in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum entstehen. Der Neubau soll auf dem Gelände von vier älteren Bahnhöfen entstehen, die im Laufe der Bauarbeiten geschlossen und abgebrochen werden.
Die Planung ist eine Herausforderung. Denn eigentlich sollen nicht ein Bahnhofsgebäude, sondern zwei entstehen. Es gibt damals zwei Eisenbahngesellschaften, die in Konkurrenz stehen: die preußische und die sächsische Bahn. "Wenn man zum Beispiel in den sächsischen Raum wollte, konnte man nur auf der sächsischen Seite die Fahrkarten lösen", sagt der inzwischen verstorbene Bahnhistoriker Peter Hackenschmidt. "Wollte man nach Berlin fahren oder nach Thüringen, musst man auf der preußischen Seite die Fahrkarten lösen."
100 Meter langer Verbindungsgang
Da beide Gesellschaften den neuen Hauptbahnhof nutzen sollen, wird alles doppelt eingerichtet. Die insgesamt 26 Gleise werden geteilt, 13 für jede Staatsbahn. Die preußische Bahn erhält die Westhalle, die Osthalle ist für die sächsische Bahn. Die beiden Eingangshallen sind riesig: je 1.620 Quadratmeter groß und 26 Meter hoch. Miteinander verbunden sind sie durch einen 100 Meter langen Gang.
Geplant wird das Bahnhofsgebäude mit den monumentalen Eingangshallen von den Dresdner Architekten William Lossow und Max Hans Kühne. Ihr Vorschlag "Licht und Luft" gewinnt 1907 den "Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für das Empfangsgebäude des neuen Hauptbahnhofes in Leipzig". Bereits fünf Jahre später fährt der erste Zug ein - in einem bereits fertigen Teil der Westhalle. Bei den weiteren Bauarbeiten gibt es allerdings Verzögerungen. Zunächst streiken Bauarbeiter mehrere Monate für bessere Arbeitsbedingungen, dann beginnt 1914 der Erste Weltkrieg.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut
Fertiggestellt wird der Bahnhof schließlich 1915 - zwei Jahre später, als ursprünglich geplant. Es ist eine der ersten Stahlbetonkonstruktionen, die seitdem als Prachtbau gilt. Im Oktober finden die Eröffnungsfeierlichkeiten statt. Die westliche Bahnhofshalle wird dabei mit den schwarz-weiß-roten Flaggen Preußens geschmückt und die östliche mit den grün-weißen Flaggen. Vollendet wird die östliche Halle jedoch erst einen Monat später. Im Dezember wird schließlich der Schlussstein des Hauptbahnhofs verbaut.
Im Zweiten Weltkrieg wird der Bahnhof schwer getroffen. Im April 1945 kommt der Bahnverkehr vollständig zum Erliegen. Da der Bahnhof aber noch wie vor ein Prestigeobjekt ist und an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt liegt, lässt ihn die DDR-Führung wieder aufbauen. "34.000 Kubikmeter Schutt mussten abgetragen werden, bevor mit der umfassenden Neugestaltung des Bahnhofs begonnen werden konnte", schreibt die Parteizeitung "Neues Deutschland" 1965 anlässlich des 50-jährigen Bahnhofsjubiläums. Nach der Wende wird der Bahnhof 1997 erneut umgebaut und wirkt seither wie ein großer Markt mit Gleisanschluss, den täglich 80.000 Menschen besuchen. An Wochenenden sind es doppelt so viele.
Stand: 15.10.2015
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