Eine Frau steht am 27.09.2010 in Hamburg auf dem Flughafen vor einem Körperscanner

Stichtag

27. September 2010 - Erster Körperscanner Deutschlands in Betrieb

Weihnachten 2009: In den USA entgeht eine Passagiermaschine offenbar nur knapp einem Anschlag. Kurz vor der Landung in Detroit hat ein Mann versucht, eine Bombe zu zünden. Ihm war es gelungen, in seiner Unterhose Sprengstoff an Bord des Flugzeuges zu schmuggeln. Das ist für die Bundesregierung Anlass, tätig zu werden. Im Jahr zuvor war die EU-Kommission mit dem Versuch gescheitert, Körperscanner einzuführen, die Fluggäste bei der Kontrolle nackt abbilden - inklusive Genitalien. Inzwischen gibt es Geräte, die die Körperumrisse nur schemenhaft zeigen.

Am 27. September 2010 startet die Bundespolizei am Hamburger Flughafen eine Testphase. Medienwirksam betritt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) als Erster die Glaskabine, in der man während des Scanvorgangs die Arme heben muss: "Es gibt kein Nacktbild, es gibt nur ein Piktogramm. Es gibt keine Speicherung der Daten. Der Körperscanner ist gesundheitlich unbedenklich." Eine Falte in seinem Hemd löst prompt den ersten Fehlalarm aus. "Hier gibt es noch Probleme", sagt der Minister. "Im Labor gab es zu viele Fehlalarme, aber besser - ehrlich gesagt - zu viele als zu wenig."

Test nach zehn Monaten abgebrochen

Doch die Scanner schlagen fast permanent an. Nicht nur bei Stofffalten, sondern auch bei Knöpfen und Schweißflecken gibt es Alarm. Die Folge: Zwei von drei Passagieren müssen aufwendig nachkontrolliert werden. Deshalb entscheidet de Maizières Nachfolger, Hans-Peter Friedrich (CSU), nach zehn Monaten, in Deutschland vorerst auf den regulären Einsatz der Scanner zu verzichten. In diesem Zeitraum haben rund 800.000 Passagiere die Geräte freiwillig genutzt.

Als später de Maizière das Amt wieder übernimmt, haben auch die Scanner ihr Comeback. Das Nachfolgemodell - so heißt es - sei erheblich verbessert worden, die Technik nun ausgereift. In der Praxis treten die Probleme aber weiterhin auf. "Der Alarm wird ja beispielsweise auch schon durch Verpackungsmaterial von Kaugummi ausgelöst", sagt Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

GdP: "Unzuverlässige Technik"

Das, was wirklich gefährlich ist, wird mitunter gar nicht erkannt - wie etwa Sprengstoff, der in der Mundhöhle oder zwischen den Pobacken versteckt ist. Außerdem untersuchen die Geräte die Passagiere nur bis zu den Knöcheln: Die Füße bleiben ausgespart. "Das, was wir zurzeit an den Flughäfen haben, entspricht nicht der Zuverlässigkeit, die ich als Polizist erwarten kann, wenn man mir Technik zur Verfügung stellt", sagt Gewerkschafter Radek.

Die Verantwortlichen haben jedoch keine Bedenken. "Die Sachkundigen des Innenministeriums", heißt es dort auf Nachfrage, seien nicht der Meinung, "dass Sprengstoffvolumen, die geschluckt oder unbemerkt in der Mundhöhle verborgen werden können, für einen erfolgreichen Anschlag ausreichend wären." Außerdem könne eine entsprechende Menge "auch nicht in der Gesäßfalte verborgen werden." Die Möglichkeit, dass eine Gruppe von Attentätern entsprechend mehr gefährliches Material an Bord schmuggeln könnte, ist im Bundesinnenministerium offenbar kein Thema.

Stand: 27.09.2015

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