Porträt des Schweizer Mathematikers Jakob Bernoulli

Stichtag

16. August 1705 - Mathematiker Jakob Bernoulli stirbt in Basel

Bis zu zehn Deutsche haben pro Jahr das Pech, von einem Blitz tödlich getroffen zu werden. Im gleichen Zeitraum räumen etwa 70 Glückliche im Lotto eine Million ab. Also ist die Wahrscheinlichkeit, Lotto-König zu werden, erheblich größer, oder? Keineswegs, erklärt der Physiker und Wissenschaftsautor Stefan Klein: "Die Chance, beim Lotto 6 aus 49 den Jackpot zu knacken, liegt bei 1 zu 140 Millionen. Die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz erschlagen zu werden, ist zehn Mal größer."

Dass es dennoch bedeutend mehr Lottomillionäre als Blitztote gibt, liegt an der Menge derer, die es auf den Versuch ankommen lassen. Die allermeisten der 80 Millionen Deutschen suchen bei Gewitter Schutz; in den Lotto-Annahmestellen aber gehen jedes Jahr rund eine Milliarde Tippscheine ein. Entscheidend für die höhere Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist also die große Zahl. Der Schweizer Jakob Bernoulli hat dafür vor 330 Jahren eine mathematische Formel gefunden.

Sein Bruder ist sein gelehrigster Schüler

Acht Mitglieder der außergewöhnlichen Familie Bernoulli schreiben als Professoren der Mathematik, Physik und anderer Fakultäten Wissenschaftsgeschichte. Ihr Stammvater Jakob Bernoulli, am 6. Januar 1655 in Basel geboren, gilt als einer der größten Mathematiker aller Zeiten. Auf Wunsch des Vaters studiert er zunächst ohne Begeisterung Theologie; nach der Promotion 1671 arbeitet er als Hauslehrer. Insgeheim aber dringt Bernoulli als Autodidakt in die Geheimnisse der Mathematik vor. Auf Reisen nach Holland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland knüpft er Kontakte zu den führenden Mathematikern und Astronomen seiner Zeit.

Zurück in Basel erwirbt sich Bernoulli mit Vorlesungen über Experimentalphysik so große Anerkennung, dass ihm die Universität Basel 1687 den Lehrstuhl für Mathematik überträgt. Sein Bruder Johann wird sein gelehrigster Schüler. Gemeinsam mit dem zwölf Jahre Jüngeren entwickelt Jakob Bernoulli unter anderem die von Leibniz entworfene Infinitesimalrechnung weiter und formuliert 1689 das Gesetz der großen Zahl, seine grundlegende Arbeit zur Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Bernoulli und die "Kunst des Vermutens"

Volker Nollau, Professor für Mathematik in Dresden, erklärt seinen Studenten das Gesetz der großen Zahl so: "Es möge sich die Zahl n der günstigen Fälle R zu der Zahl der ungünstigen Fälle s genau oder näherungsweise R : s wie R : R + s verhalten. Nun können so viele Beobachtungen gemacht werden, dass es beliebig oft wahrscheinlicher wird, dass das Verhältnis der günstigen zu allen angestellten Beobachtungen innerhalb dieser Grenzen liegt als außerhalb derselben. Also weder größer als R + 1 : n noch kleiner als R – 1 : n ist. R : n stabilisiert sich, wenn n sehr groß wird." Für Otto Normalrechner hat der Professor auch eine simplere Erklärung parat.

"Beim Wurf einer Münze kann das Verhältnis von Kopf und Zahl bei drei Versuchen sehr variieren. Werfen Sie 1.000 Mal, sind Sie sehr dicht dran bei ein Halb. Bei 100.000 Würfen aber liegt die Wahrscheinlichkeit fast exakt bei 50 Prozent." Das ganzes Leben, so Nollau, unterliegt Bernoullis Gesetz, besonders die Wirtschaft. "Jede Versicherung etwa ginge Pleite, würde sie die Wahrscheinlichkeitsrechnung missachten." Ihr Begründer stirbt am 16. August 1705. Jakob Bernoullis umfassendes Werk "Die Kunst des Vermutens" wird erst acht Jahre später veröffentlicht.

Dass Zufall und Glück im Leben dennoch unberechenbar bleiben, dafür ist der Kanadier Peter McCathie das beste Beispiel. Mit 14 Jahren überlebte er einen Blitzschlag, einige Jahre später auch seine Tochter. Und vor wenigen Wochen gewann er im Lotto eine Million kanadische Dollar. Eine solche Kombination bei einer Person ist nach mathematischer Wahrscheinlichkeit so gut wie unmöglich.

Stand: 16.08.2015

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