Durch eine geschickte Heiratspolitik hat Kaiser Maximilian I. von Österreich (1459-1519) seinem Haus Habsburg den Weg zur mächtigsten Dynastie Europas geebnet. Maximilians Urenkel Philipp II. erbt nicht nur den Thron Spaniens und dessen amerikanische Kolonien, sondern herrscht auch über die Niederlande, die reiche Freigrafschaft Burgund und große Teile Italiens.
1543 heiratet der 16-jährige Thronfolger Philipp die gleichaltrige Prinzessin Maria von Portugal, seine Cousine von väterlicher und mütterlicher Seite. Dies erweist sich als verhängnisvoll, als am 8. Juli 1545 ihr Sohn Carlos zur Welt kommt. Während Maria vier Tage nach der äußerst komplizierten Geburt stirbt, zeigen sich bei dem Infanten schon früh gravierende erbliche Folgen der Verwandtenehe.
Schädelbruch durch Treppensturz
Carlos, Urenkel der Johanna von Kastilien, genannt "die Wahnsinnige", gilt bereits im Kindesalter als geistig zurückgeblieben, jähzornig und zu Grausamkeiten neigend. Gesandte an Philipps Hof beschreiben den künftigen Erben des spanischen Imperiums als "schmalbrüstig, eine Schulter ist höher als die andere, das linke Bein ist länger als das rechte, so dass er merklich hinkt und am Rücken hat er ein Buckele." Obwohl Philipp II. die Eignung seines Sohnes als Herrscher bezweifelt und ihm verbietet zu heiraten, wird der Infant 1560 vom spanischen Adel als Fürst von Asturien und damit als Thronfolger Spaniens anerkannt.
Zwei Jahre später erleidet der 17-jährige Carlos bei einem Treppensturz einen Schädelbruch und fällt ins Koma. Durch eine gewagte Operation retten die Ärzte sein Leben, doch seine psychische Labilität verschärft sich in der langen Genesungszeit unter der Obhut erzreaktionärer katholischer Geistlicher. Nach einer Reise mit Philipp II. in die Niederlande macht sich Don Carlos Hoffnungen, vom Vater dort als Statthalter eingesetzt zu werden. Als Philipp aber 1566 dem Herzog von Alba den Oberbefehl über die aufrührerische Provinz überträgt, kann Carlos seinen Hass auf den Vater kaum noch zügeln, schmiedet angeblich sogar Mordpläne.
Rätselhafter Tod im Madrider Schloss
Um seinen Sohn zu besänftigen, ernennt Philipp II. ihn zum Minister des Staatsrats. Engagiert erfüllt Don Carlos seine Pflichten, bis er nach kurzer Zeit in sein wirres Verhalten zurückfällt und von Philipp wieder des Amtes enthoben wird. Als der König auch noch erfährt, dass Carlos zu den aufständischen Truppen in Flandern fliehen will, entschließt er sich zum Äußersten. Am 18. Januar 1568 lässt Philipp II. seinen regierungsunfähigen Sohn im Beisein des Staatsrates festnehmen und leitet einen Prozess wegen Hochverrats ein. Über Don Carlos' letzte Lebensmonate hinter den Mauern des Schlosses von Madrid existieren kaum gesicherte Fakten.
Angeblich verschluckt Carlos einen Diamantring, um sich umzubringen. Wochenlang fastet er, um anschließend Unmengen von Geflügel zu vertilgen. Eiswasser, das er in seiner heißen Dachkammer eimerweise in sich hineinschüttet, führt wahrscheinlich zu Koliken, an denen der Infant am 24. Juli 1568 mit nur 23 Jahren stirbt. Gerüchte über seine Ermordung durch den Vater können nie bestätigt werden. Ein Hofchronist hält die Reaktion Philipps II. auf die Todesnachricht fest: "Der Vater trauert – der König ist beruhigt." 220 Jahre später stilisiert Friedrich Schiller das tragisch kurze Leben des spanischen Infanten im Drama "Don Karlos" zum mutigen Freiheitskampf gegen die Despotie Philipps II. und die Allmacht der katholischen Inquisition.
Stand: 08.07.2015
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