Stichtag

14. Juni 1995 - Gitarrist Rory Gallagher stirbt in London

Nirgendwo wird Rockmusik stärker vom Blues geprägt als in Großbritannien - maßgeblich Einfluss darauf haben zwei Iren. Zu den ersten jungen Weißen, die in den 60er-Jahren den afroamerikanischen Blues authentisch interpretieren, gehören: Van Morrison mit seiner Stimme und Rory Gallagher auf seiner Gitarre.

Wie im Blues wird in der irischen Musik ein Lied nicht einfach gespielt; immer erzählt es eine emotionale Geschichte. Kein Rock-Instrument eignet sich dazu so gut wie die E-Gitarre. Und kein Bluesman in der britischen Musikszene spielt sein Instrument so impulsiv und schnörkellos, so rau und zart zugleich wie Rory Gallagher. Am wohlsten fühlt er sich zeitlebens auf den kleinen Bühnen verräucherter irischer Pubs.

Der Aufstieg mit Taste

Rory Gallagher kommt am 2. März 1948 in der an Nordirland grenzenden Grafschaft Donegal zur Welt, wächst aber im südirischen, rebellischen Cork auf. Zum neunten Geburtstag bekommt er eine Gitarre geschenkt. Rory lernt die traditionellen Jigs und Reels seiner Heimat - und was er an Blues im Radio hört. Legenden wie Big Bill Broonzy, Muddy Waters oder Leadbelly und Elvis beeinflussen ihn stark. 1961 kauft sich Rory Gallagher seine erste E-Gitarre mit einem 30-Watt-Verstärker. Beiden, der bis aufs rohe Holz abgewetzten Fender Stratocaster und dem winzigen "Vox AC30"-Verstärker, wird er sein Leben lang treu bleiben.

Mit 15 schließt sich Gallagher der Fontana Showband an, die mit gängigen Hits zum Tanz aufspielt. Daraus geht The Impact hervor, die Gallagher weiter in Richtung Rock'n'Roll und Bluesrock steuern will. Gemeinsam mit dem Drummer und dem Bassisten gründet er 1966 seine Band Taste. Neben Cream mit Gallaghers Gitarren-Bluesbrother Eric Clapton entwickelt sich Taste zur Top-Band des Bluesrock und tourt durch Amerika und Kanada. Beim berühmten Isle of Wight Festival 1970 lässt das Publikum die Gruppe erst nach fünf Zugaben von der Bühne. Kurz darauf löst Gallagher Taste nach Querelen mit den Bandmitgliedern auf und taucht monatelang ab.

In Dublin und Belfast ein Idol

Von nun an wird Rory Gallagher Solist bleiben. Selbst Angebote von Supergruppen wie Cream, Rolling Stones und Deep Purple lassen den Gitarristen ohne Rockstar-Attitüde kalt. "Er passte nicht in eine Gruppe. Er konnte sich nicht einem fremden Willen unterwerfen und musste sein eigenes Ding machen", erzählt "Rockpalast"-Chef Peter Rüchel. 1976 engagiert der WDR-Rockveteran den eigenwilligen Anti-Star als Anheizer der ersten "Rockpalast-Nacht" in der Essener Grugahalle. In seiner Heimat genießt der grundbescheidene Gallagher höchsten Respekt und Glaubwürdigkeit. Niemand außer ihm kann es wagen, erst in Dublin und dann im Hexenkessel von Belfast aufzutreten.

Rory Gallagher veröffentlicht mehr als 20 LPs. Dem Blues bleibt er immer treu, den direkten Kontakt zum Publikum braucht er wie die Luft zum Atmen. Selbst nach langen Konzerten sucht er noch eine Kneipe, wo er weiterspielen kann. Privat aber bleibt Gallagher ein Einzelgänger. Selbst langjährigen Freunde wie Bassist Gerry McAvoy bleibt er letztlich rätselhaft: "Alles wurde der Musik untergeordnet, sogar seine Beziehung zu Frauen. Musik floss durch seine Adern. Nichts war wichtiger", so McAvoy kürzlich in einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger. Schließlich ruinieren Alkohol und Medikamente Gallaghers Gesundheit. Anfang 1995 muss er sich einer Lebertransplantation unterziehen. Danach fällt er ins Koma. Am 14. Juni 1995 stirbt Rory Gallagher mit nur 47 Jahren.

Stand: 14.06.2015

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