Stichtag

3. Mai 1955 - Einführung des Zahlenlottos beschlossen

Weiter arbeiten oder sofort alles hinschmeißen? Einmal richtig auf der Kö einkaufen oder das Haus abbezahlen? Alles für sich behalten oder mit Freunden teilen? Die meisten von uns wissen genau, was sie mit dem imaginären Lotto-Gewinn machen würden. Auch diejenigen, die gar kein Lotto spielen, sind gedanklich auf plötzlichen Reichtum vorbereitet. Selbst Goethe soll der Sehnsucht nach dem schnellen Geld erlegen sein. Als die Hamburger Stadtlotterie 1797 ein Landgut in Schlesien als Hauptgewinn auslobt, schwärmt der Dichter vor der Ziehung von der Schönheit des Landlebens, das ihm seiner Meinung nach bevorsteht.

Und obwohl Goethe gleich mehrere Lose erworben haben soll, geht er leer aus - wie die meisten Lottospieler bis heute. Mehr als 1.500 Gewinner hat das Lottospiel in 60 Jahren zu Euro-Millionären gemacht. Eine mehr als mickrige Ausbeute angesichts der bis zu 30 Millionen Glückssucher, die in Spitzenzeiten - wenn der Jackpot prall gefüllt ist - ihre Kreuzchen auf dem Tippschein setzen.

Lottoverbot um Schutz vor finanziellen Verlusten

Die Wurzeln des modernen Zahlenlottos liegen im italienischen Genua. Dort werden 1575 aus einer Liste mit 90 Namen fünf Senatoren für den Stadtrat ausgelost. Die Bürger schließen Wetten darauf ab, wer es denn wohl schaffen wird und begründen so das Spiel 5 aus 90. Später werden die Namen durch Zahlen ersetzt und Lotto verbreitet sich fortan in ganz Europa. Die erste staatliche Lotterie wird 1612 in Hamburg aufgebaut. "Mit den Erträgen sollte ein Waisenhaus gefördert werden, und das ist dann wirklich auch gebaut worden", erzählt Torsten Meinberg, Geschäftsführer von Lotto Hamburg.

Als 1731 Papst Clemens XII. das kirchliche Verbot des Glücksspiels aufhebt, schießen überall Lotterien aus dem Boden. Die deutsche Bevölkerung liebt das Spiel, so mancher verzockt mehr als er sich leisten kann. Deshalb ist Anfang des 19. Jahrhunderts erst einmal Schluss. Lotto wird "zum Schutz des Volkes vor großen finanziellen Verlusten" in Deutschland verboten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entdecken die Deutschen wieder ihre Spielleidenschaft. Anfangs tippen sie Fußballergebnisse, was jedoch eine gewisse Sport-Kenntnis voraussetzt.

Waisenkinder sind die erste Lottofeen

Was fehlt, ist ein Glücksspiel, für das man keine Ahnung haben muss. Ein Spiel, das Mann, Frau, Arbeiter und Adel gleichermaßen anzieht. Der Münsteraner Lothar Lammers entwickelt mit seinem Freund Peter Weiand die Glücksformel "6 aus 49" und findet Unterstützer in der Politik. Am 3. Mai 1955 beschließt die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die Zahlenlotterie wieder einzuführen. Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin sind auch mit dabei. Die Hälfte der Einnahmen muss das Land als Gewinn wieder ausschütten. Weil aber Glücksspielen von jeher etwas Frevelhaftes anhängt, verwendet der Staat die übrigen Lottoeinnahmen nach Abzug der Verwaltungskosten für gute Zwecke.

Bei der Premiere am 9. Oktober 1955 liegen mehr als 250.000 Tippscheine vor, die Spieler investieren 515.000 D-Mark. Das Hamburger Waisenkind Elvira ist die erste Lottofee und zieht als Erstes ausgerechnet die 13. Über sechs Richtige kann sich an diesem Tag niemand freuen. Dafür träumen immer mehr vom schnellen Geld, für 50 Pfennig pro Schein ist man dabei. Schon 1959 erzielt der Deutsche Lottoblock, den die Landesgesellschaften gebildet haben, einen Umsatz von mehr als einer Milliarde D-Mark. Ab 1965 wird die Ziehung auch im Fernsehen übertragen.

Auf der Suche nach dem Supergewinn

Seitdem wächst die Lottofamilie ständig: Spiel 77, Mittwochslotto und Super 6 kommen hinzu. Letzte Neuerung: der Eurojackpot – eine Gemeinschaftslotterie mehrerer europäischer Länder. Der Köder ist immer der Gleiche: möglichst hohe Gewinnsummen. "Die Menschen wollen gerne den Superlativ. Der Jackpot ist das, was die Leute wirklich interessiert", ist Meinberg überzeugt. Und dabei lässt man sich auch von der Statistik nicht abhalten. Die Wahrscheinlichkeit eines Sechsers im Lotto liegt gerade einmal bei eins zu 14 Millionen, wie die Statistiker immer wieder mit ihren "n über k"-Formeln vorrechnen. Für den Jackpot liegt sie sogar nur bei eins zu 140 Millionen. Aber wenn's einen trifft, dann ist man wenigsten vorbereitet - in Gedanken.

Stand: 03.05.2015

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