Queen Victoria selbst will die Konzerthalle eröffnen, am 29. März 1871, einem Mittwoch, zehn Jahre nach dem Tod ihres geliebten Prinzgemahls Albert. Mitarbeiter haben die goldene Statue Alberts, das Albert Memorial in den Kensington Gardens, mit einem schwarzen Tuch verhängt, weil sie seinen Anblick auf dem Weg in die Albert Hall nicht erträgt. Die Hall selbst erinnert an ein Mausoleum. "Überall im Gebäude gibt es Referenzen auf Victoria und Albert. In den Balustraden und Treppengeländern sind zum Beispiel unzählige A's eingelassen. Wir wissen nicht genau, wie viele es sind, aber wir vermuten, über 10.000", sagt Liz Harper, Hausarchivarin der Royal Albert Hall.
Albert will Kunst und Wissenschaft fördern
Victoria war ihr Leben lang nicht über Alberts frühen Tod im Alter von 42 Jahren hinweggekommen, hatte sich weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Die Grundsteinlegung der Royal Albert Hall war eine Ausnahme. Zur Überraschung der Gäste erklärt Victoria, gekleidet in Witwen-Schwarz: "Es ist mein Wunsch, dass diese Halle den Namen dessen trägt, dem sie seine Existenz schuldet: 'Die Royal Albert Hall der Künste und Wissenschaften'".
Tatsächlich war Victorias deutscher Ehemann, Herzog Albrecht von Sachsen-Coburg und Gotha, genannt Albert, Ideengeber und Initiator der Konzerthalle. 1851 hatte er die Londoner Weltausstellung organisiert. "Von den Gewinnen kaufte der Hof Land, um Einrichtungen anzusiedeln, die Kunst und Wissenschaft weiter fördern sollten", erzählt Liz Harper. So entstanden das Imperial College und das Natural History Museum. "Albertopolis" hieß die Gegend bald. Als Herzstück plante er eine große Konzerthalle. Doch schon Jahre vor Baubeginn stirbt Albert.
Von Richard Wagner bis Eric Clapton
Dank Queen Victoria entsteht der Bau dennoch. "Am Tag der Einweihung war sie so überwältigt, dass ihr die Stimme versagte und ihr Sohn Albert Edward, der Prince of Wales, die Hall für sie eröffnen musste", erklärt Liz Harper.
Bei seiner Rede allerdings fällt im Saal ein hässliches Echo auf, das seinen Worte einen spottenden Nachdruck verleiht. Eilig werden schwere Samttücher unter der prächtigen Glaskuppel angebracht. Trotzdem lästern Zeitgenossen, die Royal Albert Hall sei der einzige Ort, wo ein Komponist sicher sein kann, sein Werk zweimal zu hören.
Die Komponisten scheint das nicht zu stören, denn sie kommen: Dvorak, Bruckner, Verdi. Richard Wagner gastiert sogar acht Tage hintereinander. Schnell wird "The Hall" zu Londons erster Konzertadresse. Nur mit klassischer Musik lassen sich die damals 8.000 Plätze jedoch kaum füllen. Um die Wende zum 20. Jahrhundert finden auch Bodybuilding-Wettbewerbe statt, Boxkämpfe, der erste Indoor-Marathon der Welt und ein Science-Fiction-Kongress statt.
Doch es sind vor allem die Konzerte, die den Mythos der Royal Albert Hall begründen - vom jährlichen Klassik-Hochamt Night of the Proms bis zu den Klassikern des Pop. Viele Künstler kommen immer wieder, erzählt Archivarin Liz Harper, Eric Clapton zum Beispiel. "Über 200 Konzerte hat er in der Royal Albert Hall gegeben. Er ist unser Rekord-Headliner.“
Stand: 29.03.2016
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