Alles andere als ein (Fußball-) Wunder kann dem VfL Bochum jetzt nicht mehr helfen. Wie sonst soll das so stark abgestürzte Ruhrgebietsteam den Klassenverbleib sonst noch erreichen?
Noch nie in der Geschichte der Bundesliga hatte ein Team nach neun Spieltagen solch desaströse Zahlen zu bieten - nicht mal Tasmania Berlin, das ja als Inbegriff des fußballerischen Scheiterns in der Historie gilt.
Und alle Teams, die in der Vergangenheit zumindest ähnlich furchtbare Zahlen vorzuweisen hatten, mussten den Gang in die 2. Liga antreten.
Hecking auf undankbarer Rettungsmission
Ein Punkt und eine Torbilanz von minus 20 zu diesem frühen Saisonzeitpunkt sind indes ein Novum. Es kann beim VfL eigentlich nur besser werden - denn schlechter geht es kaum mehr. Der neue Trainer Dieter Hecking ist auf seiner undankbaren Rettungsmission sicher nicht zu beneiden.
"Klar ist das eine schwierige Aufgabe", gestand er bei seiner Vorstellung am Anfang der Woche, "und ich weiß auch nicht, ob wir sie gelöst bekommen, aber ich werde mit all meiner Erfahrung versuchen, die Mannschaft zu packen."
Reis, Letsch und Butscher
Es ist allerdings nicht so, dass die Bochumer nicht schon einmal scheinbar überirdische Kräfte bemüht hätten. Nicht umsonst galt der VfL in den 70er, 80er und auch noch in Teilen der 90er-Jahren lange Zeit als unabsteigbar - weil sich frühere Mannschaften oft noch und gerade so am eigenen Schopf aus dem Abstiegssumpf herausgezogen haben. Und auch die jüngsten Rettungsaktionen sind nicht gerade lange her.
Ex-Trainer Thomas Reis hatte die fast schon abgestiegenen Bochumer in der Saison 2021/22 noch sensationell gerettet. Auch Ex-Coach Thomas Letsch schaffte es in der darauf folgenden Saison trotz zwischenzeitlich großen Rückstands, in der Liga zu verbleiben.
Und das wohl spektakulärste Comeback gab der VfL im vergangenen Sommer, vor gerade einmal ein paar Monaten, als die der Klub mit Interimstrainer Heiko Butscher nach dem hohen Relegations-Hinspiel-Rückstand gegen Zweitligist Fortuna Düsseldorf (0:3) doch noch den Klassenverbleib gelang.
Die großen Probleme des VfL
Vor diesem Hintergrund scheint auch jetzt noch eine (Wunder-) Rettung möglich, die Bochumer sind offenbar besonders leidens- und auch widerstandsfähig. Doch die Probleme, die Hecking schnellstmöglich beseitigen muss, sitzen tief.
Problem 1 - die Abwehr: Der VfL kassierte in dieser Bundesliga-Saison so viele Gegentore wie keine andere Mannschaft, 29 nach neun Runden stellen einen neuen Vereinsnegativrekord dar. Es ist zudem der vierthöchste Wert der Bundesliga-Geschichte. Noch nie schaffte ein Team den Klassenerhalt, das zu diesem Zeitpunkt so oft bezwungen worden war.
Allein in den vergangenen fünf Partien, die allesamt verloren gingen, kassierte das Team 22 Gegentreffer, davon zwölf in den jüngsten zwei Spielen (0:5 gegen die Bayern und 2:7 in Frankfurt). Bochum blieb in den vergangenen 25 Bundesliga-Spielen nie ohne Gegentor und egalisierte damit zu allem Überfluss auch noch den 21 Jahre alten Vereinsnegativrekord.
Problem 2 - der Einsatz: Das Bochumer Team absolvierte bislang im Durchschnitt lediglich 112,4 km Laufleistung pro Partie. Das ist der zweitniedrigste Wert der Liga. Hinzu kommt, dass die Spieler nur 46 Prozent der Zweikämpfe gewinnen - der schlechteste Wert im Ligavergleich. Zwei Probleme, die Hecking wohl als erstes auf seiner Rettungsmission angehen kann und wird.
Problem 3 - der Angriff: Mit neun Treffern hat der VfL gemeinsam mit Union Berlin den zweitschlechtesten Wert in der Liga vorzuweisen. Nur Aufsteiger FC St. Pauli war mit sieben erzielten Toren noch weniger treffsicher. Da im Fußball aber alles mit allem zusammenhängt, stehen sowohl die Berliner (8 Gegentore) als auch die Hamburger (11 Gegentore) in der Tabelle besser da, weil sich ihre Defensivreihen als deutlich stabiler erweisen.
Trainereffekt und positive Bilanz
Der VfL erhofft sich nun einen Trainereffekt und hat zudem einen veritablen Hoffnungsschimmer. Bei Heckings Trainerstationen, bei denen er die Teams in der Saison (Hannover 96, 1.FC Nürnberg, VfL Wolfsburg, Borussia Mönchgladbach) übernommen hat, hat es der 60-Jährige stets den Klassenerhalt geschafft.
Auf diesen positiven Einfluss des Fußballlehrers hoffen sie beim VfL - im Idealfall direkt am Samstag im Spiel gegen Meister Bayer 04 Leverkusen.