"Rigoletto", "Il Trovatore", "La Traviata" - seit seinen Welterfolgen muss Giuseppe Verdi nicht dauernd neue Opern schreiben. Nach einer Zeit, die er "Galeerenjahre" nennt, ist er nicht mehr auf Aufträge angewiesen. Darum lehnt der italienische Komponist ab, als ihn der Opern-Direktor von Kairo zur Eröffnung des Suez-Kanals 1869 um eine Hymne bittet.
Doch die Ägypter lassen nicht locker. Ismail Pascha, der Vizekönig, wünscht sich ein Meisterwerk - das Beste aus der deutschen, italienischen und französischen Oper des 19. Jahrhunderts. Im Frühjahr 1870 tritt der Direktor der Pariser Opéra-Comique als Vermittler an Verdi heran - mit einem vierseitigen Handlungsentwurf.
Liebe, Loyalität, Heimat
Das Projekt heißt "Aida". Es spielt während der Pharaonenherrschaft und setzt auf das klassische Liebes-Dreieck: Der ägyptische Heerführer Radamès liebt Aida, die Prinzessin der verfeindeten Äthiopier. Sie lebt unerkannt als Sklavin am ägyptischen Hof. Radamès wiederum wird von der ägyptischen Königstochter Amneris begehrt.
Es geht um Liebe, Loyalität und Heimat. Verdi findet den Entwurf hinreißend - und auch das Honorar. Die Rekordsumme von 150.000 Franc ist das Vierfache, was Verdi von Paris für "Don Carlo" erhalten hat. Der Musiker sagt zu und liest Fachliteratur über Ägypten.
Premiere verschoben
Am Anfang von "Aida" steht nicht der übliche Auftrittschor, sondern ein Dialog. Wie mitten im Gespräch beginnt Radamès: "Ja, man sagt, dass die Äthiopier es wagen, uns noch einmal herauszufordern und zu bedrohen." So unmittelbar hat noch keine Oper angefangen. Und nach drei Minuten schafft Verdi mit "Celeste Aida" schon den ersten Hit für große Tenöre.
Die für Anfang 1871 geplante Premiere muss wegen des Deutsch-Französischen Krieges verschoben werden. Die in Paris gefertigten Kostüme und Dekorationen sind nicht rechtzeitig in Ägypten angekommen. Am 24. Dezember ist es endlich soweit: Im neuen Opernhaus von Kairo dirigiert Giovanni Bottesini die Welterste "Aida".
Ersticken an der Gesellschaft
Für Verdi spiegelt sich in der Musik der ägyptischen Sieger der deutsche Triumphalismus nach dem Sieg über Frankreich. Den Pomp des Aida-Finales im "Triumphmarsches" versteht der Komponist als Kritik an menschenverachtenden Staatsaktionen.
Am Ende wird Radamès als Verräter verurteilt und in das Kellergewölbe des Vulkantempels eingemauert. Im letzten Moment kann Aida ihm folgen. Die beiden ersticken. Verdi lässt keinen Zweifel: Sie ersticken an einer Gesellschaft, die ein einfaches Glück nicht zulässt.
Autor des Hörfunkbeitrags: Holger Noltze
Redaktion: Hildegard Schulte
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 24. Dezember 2021 an die Uraufführung von Giuseppe Verdis Oper "Aida". Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 25.12.2021: Vor 5 Jahren: George Michael stirbt in Goring-on-Thames