Menschen sind von Natur aus neugierig, wollen erkunden. Das benachbarte Tal, das Land jenseits des Ozeans oder, wie im Fall von Ulf Merbold, das All. Der Astronaut ist bis heute der einzige Deutsche, der dreimal im Weltraum war.
Zum Studium in den Westen
Dass es so weit kommt, ist eine Mischung aus Zufall und Ehrgeiz. Am 20. Juni 1941 wird Merbold im thüringischen Greiz geboren. Sein Vater stirbt in russischer Kriegsgefangenschaft, er wächst als Einzelkind bei seiner Mutter in der DDR auf. Als ihm das System nach dem Abitur ein Physikstudium verweigert, geht er noch vor dem Mauerbau in den Westen. Dort studiert Merbold Physik in Stuttgart, promoviert und experimentiert zehn Jahre am Max-Planck-Institut.
1977 sucht die frisch gegründete Europäische Weltraumagentur ESA Wissenschaftler, die im All forschen wollen. Merbold ist einer von über 2.000 Bewerbern - am Ende kann er sich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Am 28. November 1983 startet er zusammen mit fünf Kollegen an Bord des Space Shuttles Columbia zu seiner Mission.
Damit ist Merbold zwar nicht der erste Deutsche im Weltall - Sigmund Jähn kommt ihm fünf Jahre zuvor -, aber der erste aus der Bundesrepublik. Und er ist der erste Nicht-Amerikaner auf einem US-Raumschiff. Sicher verstaut in der Ladebucht: Das von der ESA gebaute neue Raumlabor Spacelab, in dem Merbold Experimente durchführt.
Mit den Russen ins All
Als er nach zehn Tagen und 167 Erdumkreisungen wieder landet, ahnt er nicht, dass er noch zwei weitere Male abheben wird: Mit 51 Jahren startet er im Januar 1992 an Bord des Shuttles Discovery erneut für eine Woche ins All. Mehr als zweieinhalb Jahre später geht es mit einem Sojus-Schiff zur Mir.
Der Mann, der für seinen Traum vom Physikstudium die DDR verlassen hat, lebt nun für einen Monat auf einer russischen Raumstation. "So musste ich im hohen Alter sogar noch Russisch lernen", sagt Merbold. Seine jugendliche Verbitterung gegen die sozialistischen Bruderstaaten ist gewichen.
Neues Bild vom Astronauten
Schon Merbolds erster Flug ins All löst eine neue Begeisterung für die Raumfahrt aus, die nach der Mondlandung eingeschlafen war. Sie verändert aber auch das Bild vom Astronauten: Plötzlich sind es nicht mehr knallharte Kampfpiloten, die ihre Schiffe durch jede Gefahr lenken, sondern Naturwissenschaftler, die vom Weltraum aus versuchen, die Erde zu verstehen und zu erkunden.
Obwohl Merbold 2004 in den Ruhestand tritt, arbeitet er noch immer als Berater für die ESA. Für die nächste Generation von Raumfahrern sieht er den Mond vor allem als Startpunkt für einen Flug zum Mars. "Wenn wir den Mars irgendwann erreichen, kann niemand vorhersagen, zu welchen neuen Erkenntnissen das führt", so Merbold, der auch selbst weiter den Blick von oben genießt - als Segelflieger.
Autor des Hörfunkbeitrags: Frank Zirpins
Redaktion: Ronald Feisel
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