Über ihre Lebensgeschichte berichtet Traudl Junge in mehreren Varianten. Je nach Lebensphase unterscheidet sich ihre Darstellung. Fest steht, dass sie am 16. März 1920 als Gertraud Humps in München geboren wird. Ihr Vater ist Mitglied eines Freikorps, das 1919 am Sturz der Münchner Räterepublik beteiligt ist. 1923 unterstützt er aktiv den Hitler-Putsch.
Traudl Junge ist Mitglied beim "Bund Deutscher Mädel", besucht die Handelsschule und hat verschiedene Bürojobs. Ihr Wunsch ist es, Tänzerin zu werden. 1941 legt sie ihre Tanzprüfung ab und will nach Berlin. Da bietet ihr Martin Bormann, der die Privatkanzlei von Adolf Hitler leitet, eine Stelle an.
Geborgen bei Hitler
Hitler hat eine Schwäche für "alte Kämpfer" wie Getrauds Vater. Deshalb kann Traudl noch weiter ins Machtzentrum vorzustoßen. Im Herbst 1942 fährt sie nach Ostpreußen in die "Wolfsschanze", wo sie sich erfolgreich bei Hitler als Privatsekretärin vorstellt.
Dort habe sie "plötzlich das Gefühl der Sicherheit gehabt, der Geborgenheit in dieser Gemeinschaft". Sie trifft auf Hans Junge, ein Diener Hitlers, den sie heiratet. Zusammen mit Eva Braun und anderen Vertrauten ist Traudl Junge bei Hitlers Mahlzeiten dabei.
Banalitäten notiert
Das Stauffenberg-Attentat erlebt die Sekretärin aus der Nähe mit, ebenso den Suizid des Diktators im "Führerbunker" in Berlin. Hitler hat ihr nicht nur seine Reden, sondern auch sein Testament diktiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg notiert die 27-Jährige ihre Erinnerungen an die "Zeit bei Adolf Hitler". Sie beschreibt vor allem Alltagsbanalitäten, die Verbrechen der Nationalsozialisten erwähnt sie kaum. Einen Verlag findet sie damals nicht.
"Gefühl der Mitschuld"
Anfang 2002 kann Traudl Junge ihr Manuskript in einer kommentierten Fassung veröffentlichen. In einem Dokumentarfilm sagt sie über Hitler: "Ich hatte nie das Gefühl, dass er bewusst verbrecherische Ziele verfolgt. Für ihn waren das Ideale."
Das sei ihr aber erst hinterher klar geworden. Ihre Erklärung: "In seinem privaten Bereich, da war ich ja so abgeschirmt von den größenwahnsinnigen Projekten und von den barbarischen Maßnahmen." Vom Holocaust will sie nichts gewusst haben.
Doch Traudl Junge gibt zu, die warnende Stimme in sich absichtlich überhört zu haben. Sie werde bis zu ihrer letzten Stunde mit dem "Gefühl der Mitschuld" leben. Zugleich entlastet sie sich und behauptet: "Eigentlich bin ich zu Hitler gekommen wie die Jungfrau zum Kind." Traudl Junge stirbt am 11. Februar 2002 in München.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Heide Soltau
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 11. Februar 2022 an Traudl Junge. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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