Die Resonanz ist riesig, 5.000 Bewerbungen gehen ein. Seit der Norweger Roald Amundsen nur kurz vor dem Engländer Robert F. Scott den Süpol erreicht hat, sehnen sich die Briten nach einem eigenen Expeditions-Rekord. Den soll nun der angesehene Polarforscher Ernest Henry Shackleton mit der erstmaligen Durchquerung der Antarktis einfahren.
Aus den zahlreichen Bewerbern wählt er 27 Männer aus und sticht kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs in See. Doch schon bald läuft nichts mehr wie geplant. "Ich war auf schlechte Bedingungen im Weddelmeer gefasst. Aber das hier ist altes Packeis von der hartnäckigsten Sorte", notiert Shackleton. "Beunruhigend." Im Februar 1915 frieren sie endgültig im Packeis fest.
Gefangen im Packeis
Shackleton kann nur auf das Ende des Winters warten – und seine Mannschaft mit unbändigem Optimismus animieren. Täglich Robben- und Pinguinjagd, schrubben der Fußböden und Ballspiele auf dem Eis sollen helfen, die Moral und Psyche der Mannschaft in der eisigen Dunkelheit aufrechtzuerhalten.
Es kommt noch schlimmer: Im Oktober 1915 wird das Schiff von Eisschollen zerdrückt. Die Mannschaft ist auf einer riesigen, nur anderthalb Meter dicken Scholle im Packeis gefangen. Die einzige Hoffnung ist Elephant Island, die letzte Insel vor dem endlosen, tödlichen Ozean.
In drei offenen Booten rudern die Männer durch das stürmische Meer. "Schneeböen verdeckten die Sterne und meterhohe Gischt durchnässte uns", schreibt Shackleton später. "Wir froren erbärmlich." Dank guter Navigation des Kapitäns können alle Expeditionsteilnehmer am 15. April 1916 an Land gehen. Nach einem Jahr und vier Monaten auf See haben die 28 Männer wieder festen Boden unter den Füßen.
Verwilderte Gestalten im Schnee
Aber Shackleton muss weiter, auf der unbewohnten Insel wird niemand nach ihnen suchen. Er beschließt, mit fünf seiner Männer eine Walfangstation auf der winzigen Insel South Georgia zu erreichen: Das sind 800 Meilen in einem sieben Meter langen Ruderboot auf dem gefährlichsten Ozean der Welt. Den Rest der Mannschaft lässt er zurück. Er verspricht zurückzukommen.
Am 20. Mai 1916 stolpern den fassungslosen Walfängern auf South Georgia einige schrecklich verwilderte Gestalten entgegen. "Unsere Gesichter waren schwarz vom Tranrauch, Bärte und Haar dick verfilzt und salz-verkrustet. Die Kleidung, die wir über ein Jahr lang ununterbrochen getragen hatten, war unbeschreiblich zerfetzt", erinnert sich Shackleton später.
Kein britischer Rekord, aber ein neuer Held
Aber sie sind in Sicherheit. Von hier aus organisiert der Polarforscher die Rettung seiner zurückgelassenen Mannschaft. Wie durch ein Wunder haben alle überlebt. Großbritannien hat zwar keinen neuen Rekord, dafür aber einen Helden: Ernest Henry Shackleton wird zur Legende.
In ein bürgerliches Leben mit seiner Frau Emily und den drei Kindern findet Shackleton allerdings nicht mehr zurück. 1921 bricht er zum vierten Mal in den Süden auf und landet wieder in South Georgia. Dort stirbt Ernest Henry Shackleton am 5. Januar 1922 mit 47 Jahren an Herzversagen.
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Autorin des Hörfunkbeitrags: Marfa Heimbach
Redaktion: Hildegard Schulte
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. Januar 2022 an den Polarforscher Ernest Henry Shackleton. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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