25. April 1983 - Der "Stern" gibt die Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher bekannt

Es ist eine Fälschung, auf die ein Leitmedium der Bundesrepublik hereinfällt. Der "Stern" präsentiert die angeblichen Tagebücher von Adolf Hitler - fabriziert von einem Fälscher aus dem rechten Milieu.

62 Bände Hitler, der Nazi-Führer in seinen eigenen Worten. Muss die Geschichte neu geschrieben werden? Das Hamburger Magazin "Stern", das diesem Schwindel aufgesessen ist, tönt damals: in großen Teilen ja. Am 25. April 1983 präsentiert man die Tagebücher einer staunenden Weltöffentlichkeit.

Der Gedanke, dass sie schlicht gefälscht wurden, mit Teesieb und Tinte – von einem sächselnden Schwaben namens Konrad Kujau – der ist an diesem Tag ganz weit weg.

Wie der Journalist den Fälscher kennenlernt

Gerd Heidemann ist der "Stern"-Journalist, der bei der Pressekonferenz vor 40 Jahren die schwarzen Tagebuchkladden in die Höhe hält, als seien sie eine Jagdtrophäe. Heidemann lernt Konrad Kujau in den frühen 1980er-Jahren kennen – über seine Recherchen im Milieu der Altnazis und Ewiggestrigen.

"Stern" gibt VÖ der "Hitlertagebücher" bekannt (am 25.04.1983) WDR ZeitZeichen 25.04.2023 15:01 Min. Verfügbar bis 25.04.2099 WDR 5

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Der Journalist erfährt bei seinen Recherchen von wahren Geschichten, heißen Gerüchten – von in Südamerika untergetauchten Kriegsverbrechern und schließlich auch von angeblichen Tagebüchern Adolf Hitlers. Kujaus Legende ist so einfach wie genial: Hitler habe 1945, in den Wirren der letzten Kriegswochen, wichtige private Dinge beiseite schaffen wollen – raus aus dem eingekesselten Berlin, mit einem Flugzeug. Dieses Flugzeug wiederum sei über dem Gebiet der späteren DDR zerschellt. So weit, so wahr.

Eine Kopie des Deckblattes der gefälschten Hitler-Tagebücher | Bildquelle: dpa - Report

Dann kommt Kujaus ureigene Zutat: Sein Bruder, Offizier der DDR-Armee, habe Zugriff auf die braune Fracht darin. Unterstützt vom "Stern" nimmt Heidemann Witterung auf. Er und seine Chefs beim Hamburger Magazin kaufen Kujau Lügen und Fälschung ab.

Inhaltlich liefert Kujau in seiner Fälschung Banales (etwa Hitlers Verdauungsprobleme) und Verharmlosendes - etwa, indem die Fake-Tagebücher Hitlers Rolle bei der Ermordung der europäischen Juden relativieren: "Erwarte die Meldungen der Konferenz über die Judenfrage", so lautet etwa der Eintrag vom 20. Januar 1942 – dem Tag der Wannsee-Konferenz.

Erfindung einer positiven Hitler-Figur

"Wir müssen unbedingt einen Platz im Osten finden, wo sich diese Juden selbst ernähren können", heißt es in Kujaus Fälschung. Auch an anderen Stellen phantasiert Kujau einen Hitler herbei, der die Juden lediglich umsiedeln, nicht aber vernichten will. Die Historikerin Heike Görtemaker: "Der fiktive Hitler hat mit nationalsozialistischen Gewaltverbrechen nichts zu tun. Das ist ein positiver Mensch, der versucht, Unrecht zu verhindern. Kujau erfindet hier eine positive Hitler-Figur."

Der Fälscher Konrad Kujau | Bildquelle: AP/Bernd Kammerer

Aber wieso? Neue NDR-Recherchen ergeben: Kujau ist in der rechten Szene gut vernetzt – seine Kontakte reichen bis ins Umfeld des berüchtigten Neonazis Michael Kühnen. 9,3 Millionen D-Mark übergibt Star-Reporter Heidemann dem Fälscher Kujau als Honorar. Der "Stern" kommt mit der vermeintlichen Hitler-Sensation raus. Doch nicht einmal zwei Wochen nach Veröffentlichung bereitet das Bundeskriminalamt dem Spuk ein Ende: "Die angeblichen Hitler-Tagebücher sind nach Überzeugung amtlicher Experten eine Fälschung."

Das Material, so ein Gutachten, sei zweifelsfrei Nachkriegsware. Schon zuvor hatten Historiker dargelegt, dass Hitler absoluter Schreibmuffel gewesen sei. Der vermeintliche Scoop endet für den "Stern" als Blamage, die den Ruf des Magazins nachhaltig beschädigt.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Kerstin Hilt
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 25. April 2023 an die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher im "Stern". Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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