14. Januar 1953 - Die ersten Schülerlotsen in der Bundesrepublik

Sie passen eine Lücke im Verkehr ab, stellen sich schützend auf die Straße und lassen Kinder passieren - seit 1953 verhindern Schülerlotsen bundesweit Unfälle vor Schulen.

Falschparker, Spätbremser, Risiko-Wender und Rennfahrer - der Dienst der Schülerlotsen ist anspruchsvoll, erfordert Disziplin und auch ein wenig Durchsetzungsvermögen. Trotzdem stehen in Deutschland Jahr für Jahr rund 50.000 von ihnen an Überwegen, um den Schulweg für Kinder und Jugendliche sicherer zu machen.

Die Voraussetzung für das Ehrenamt: Schülerlotsen müssen mindestens 13 Jahre alt sein und die siebte Klasse besuchen. Grundschüler können sich nur lotsen lassen und nicht selber die rot-weiße Kelle halten. Denn kleinere Kinder können noch nicht so gut einschätzen, wie schnell Autos auf einen zukommen.

Die ersten Schülerlotsen in Deutschland (am 14.1.1953) WDR ZeitZeichen 14.01.2023 14:50 Min. Verfügbar bis 14.01.2099 WDR 5

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Vorläufer in den USA und in Deutschland

Systematisch eingesetzt werden Schülerlotsen zuerst in den USA. Der Auslöser dafür ist angeblich ein Vorfall in Chicago, bei dem mehrere Schüler beim Überqueren der Fahrbahn von einem Auto erfasst und tödlich verletzt worden sind. Charles M. Hayes, der Präsident des Chicagoer Automobilklubs, nimmt dies zum Anlass, um 1920 gemeinsam mit der Polizei 24 Jungen zu Verkehrshelfern auszubilden. Ab 1926 werden auch Mädchen zugelassen.

Auch in Deutschland errichten einige Schulen in den 1920er-Jahren an viel befahrenen Straßen Sicherheitsschranken. Schüler werden beauftragt, diese zu bewachen, damit sie nicht als Turnstangen zweckentfremdet werden. Ein System wird daraus allerdings erst deutlich später. Nach dem Zweiten Weltkrieg führen zunächst die US-Truppen den Schülerlotsendienst in ihrer Besatzungszone ein. Die erste Stadt ist 1946 Kornwestheim in der Nähe von Stuttgart.

Rot-weiße Kellen und neongelbe Warnwesten

Solche Schülerverkehrshilfsdienste gibt es Anfang der 1950er-Jahre auch in Münster, Köln und Düsseldorf. Der bundeseinheitliche Schülerlotsendienst wird am 14. Januar 1953 von Verkehrsminister Hans-Christoph Seebohm (DP) eingeführt. Die Organisation des neuen Dienstes soll die Bundesverkehrswacht übernehmen - so heißt damals der Dachverband der Verkehrswachten. Die Finanzierung ist allerdings zunächst nicht geklärt.

Mit Kelle und Warnweste im Einsatz | Bildquelle: WDR / Dierks

Nach einer Anfrage bei den Ford-Werken in Köln stellt Direktor Konsul Erhard Vitger für die ersten drei Jahre 300.000 Mark zur Verfügung. Davon bezahlt die Verkehrswacht die Ausbildung der ersten Schülerlotsen und kauft für sie die Ausrüstung. Dazu gehören neben rot-weißen Kellen damals bald auch eine weiße Bandoliere mit einem Koppelschloss. Dazu für Jungen eine weiße Schirmmütze und für Mädchen ein weißes Schiffchen. Mittlerweile sind neongelbe Warnwesten und Käppis im Einsatz.

Schülerlotsen verhindern tödliche Unfälle

Die Ford-Werke bleiben lange Zeit wichtige Geldgeber. Auch heute sind sie als Teil des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) noch immer an der Finanzierung beteiligt. Die Ausbildung der Schülerlotsen übernehmen vor allem Polizistinnen und Polizisten. Sie greifen dabei auf Materialien der Verkehrswacht zurück.

Die Unfallstatistik gibt Auskunft über den Erfolg des Dienstes. In den 1950er-Jahren werden noch mehr als 1.000 Kinder pro Jahr im Straßenverkehr getötet. 2020 sind es zum elften Mal in Folge unter 100. Schülerlotsen sind jedoch weiterhin unentbehrlich. Denn die meisten Kinder verunglücken noch immer morgens zwischen sieben und acht Uhr - also auf dem Weg zur Schule. Aber bis heute soll es an den bewachten Stellen zu keinem tödlichen Unfall mehr gekommen sein.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Jana Magdanz
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. Januar 2023 an die Einführung des Schülerlotsendienstes. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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