Juscelino Kubitschek hat Sinn für den großen architektonischen Wurf. Als Oberbürgermeister von Belo Horizonte beauftragt er 1943 seinen Landsmann Oscar Niemeyer mit dem Bau eines Gebäudeensembles im Stadtteil Pampulha. 1956 wird Kubitschek Staatspräsident Brasiliens. Und erfüllt sich einem Herzenswunsch.
"Präsident Kubitschek kam in mein Büro in Rio und sagte: Oscar, wir haben Pampulha zusammen gebaut. Jetzt bauen wird die neue Hauptstadt", wird sich Niemeyer später erinnern. "Damit startete das Abenteuer Brasília."
Vision im Niemandsland
Kubitscheks Vision ist nicht neu: Von der Kolonialmacht Portugal gelöst, ist der Gedanke einer neutralen, föderalen Hauptstadt im geographischen Herzen Brasiliens seit 1891 sogar in der Verfassung Brasiliens verankert. Bereits zwei Jahre später wird im Niemandsland der Savanne ein Gebiet dafür abgesteckt, 1922 gar ein Grundstein gelegt. Aber das Projekt scheitert an Geld und Notwendigkeit.
Jetzt knüpft Kubitschek daran an: 640 Kilometer von der nächsten Straße und 120 Kilometer vom nächsten Bahnhof entfernt. Und er setzt sich unter Zeitdruck. Fünf Jahre währt seine Amtszeit. In diesem Rahmen will er am Reißbrett den kühnen Plan Realität werden lassen.
Stein gewordene Utopie
Am 19. April – anderen Quellen zufolge ist es der 18. April – 1956 unterzeichnet Kubitschek ein an den Nationalkongress gerichtetes Schreiben, mit dem er eine Gesellschaft zum Bau der neuen Hauptstadt auf den Weg bringt. Später macht der Staatspräsident einen symbolischen Spatenstich. Derweil sitzt Oscar Niemayer an der Copacabana und skizziert wie wild erste Entwürfe. Als Chef des staatlichen Bauamtes trägt er die Verantwortung für das Gesamtprojekt und konzipiert auch alle öffentlichen Gebäude. Verantwortlicher Stadtplaner wird Lúcio Costa.
Der erklärte Kommunist Niemayer ist prädestiniert für das ambitionierte Projekt, das eine Zukunft ohne Arm und Reich oder andere Hierarchien Stein werden lassen soll. Dabei setzt er auf ein simples Kreuz als grobe Grundstruktur: auf der Nord-Südachse plant er Wohnblöcke mit Schulen, auf der Ost-West-Achse Gebäude für Behörden, Verwaltung und Regierung. Da die Umrisse Brasílias so aus der Vogelperspektive einem Flugzeug gleichen, das neben dem künstlichen Paranoá-See landet, ist auch vom "Plano Piloto" die Rede.
In der Pampa arbeiten die Bauarbeiter im Schichtbetrieb. 1960 kann Brasília eingeweiht werden. Heute hat die Hauptstadt Brasiliens rund drei Millionen Einwohner. Das Zentrum mit seinen utopischen Gebäuden wie dem Alvorada Palast mit seinem gewölbten Dach und seinen geschwungenen Säulen wird 1987 UNESCO-Weltkulturerbe.
Allerdings werden schon bald Hunderttausende aus der Mitte der Hauptstadt in die Armut der Satellitenstädte gedrängt.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Susanne Rabsahl
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 18. April 2021 an die Pläne von Brasilia als neuer Hauptstadt Brasiliens. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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