2. November 1982 - Prozessbeginn gegen Marianne Bachmeier

Auch nach über 40 Jahren gilt die Tat von Marianne Bachmeier als einer der spektakulärsten Fälle von Selbstjustiz in Deutschland. Die damals 31-Jährige erschießt 1981 im Lübecker Schwurgerichtssaal den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter. Um Rache, so erklärt sie später, sei es ihr dabei jedoch nie gegangen.

Am dritten Prozesstag im Landgericht Lübeck - Marianne Bachmeier gegen Klaus Grabowski. Der 35-jährige arbeitslose Metzger hat bereits gestanden, die sieben Jahre alte Anna Bachmeier ein Jahr zuvor in seiner Wohnung mit einer Strumpfhose erwürgt zu haben.

Selbstjustiz-Prozess gegen Marianne Bachmeier (am 02.11.1982) WDR ZeitZeichen 02.11.2022 13:33 Min. Verfügbar bis 02.11.2099 WDR 5

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Acht Schüsse in den Rücken

Marianne Bachmeier, Mutter von Anna, zielt mit der Waffe auf Grabowskis Rücken und gibt acht Schüsse ab. Klaus Grabowski ist sofort tot. Gerichtsreporterin Barbara Kotte steht ebenfalls im Gerichtssaal. Sie berichtet für verschiedene Zeitungen und Rundfunksender über den Prozess.

"Frau Bachmeier ging kurz vor mir rein. Und plötzlich hörte ich das Geräusch der Schüsse und Grabowski sank fast sofort auf der Anklagebank zusammen. Das heißt, der Rücken war nicht mehr zu sehen." Gerichtsreporterin Barbara Kotte

Mutmaßlicher Mörder wegen Missbrauchs bereits vorbestraft

Am 2. November 1982 steht Marianne Bachmeier dann vor demselben Schwurgericht in Lübeck wie anderthalb Jahre zuvor der mutmaßliche Mörder ihrer siebenjährigen Tochter. Grabowski war bereits zuvor wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraft und wegen seiner pädophilen Neigung in einer psychiatrischen Klinik gewesen.

Fühlt Marianne Bachmeier sich provoziert?

1976 kann er die psychiatrische Klinik nur verlassen, weil er einer Vasektomie zustimmt. Zwei Jahre später unterzieht er sich mit Genehmigung eines Gerichts einer Hormonbehandlung.

Nach dem Mord an Anna behauptet Grabowski, sie habe ihn bedroht: Eine D-Mark habe sie von ihm gefordert, sonst würde sie ihrer Mutter erzählen, er habe sie unsittlich berührt, was nicht stimme. Möglicherweise hat diese Behauptung Marianne Bachmeier besonders provoziert.

Spätes Geständnis in einer Talkshow

Marianne Bachmeier | Bildquelle: dpa

Mit der Tötung Grabowskis löst die Mutter des Opfers eine bundesweite Debatte über Selbstjustiz und den Umgang der Justiz mit Sexualstraftätern aus und macht Marianne Bachmeier über Nacht bekannt.

Sie habe die Tat nicht geplant, sondern im Affekt gehandelt, behauptet sie nach ihrer Verhaftung. Angeblich habe sie die Waffe nur getragen, um sich sicherer zu fühlen. Jahre später sagte sie in einer Talkshow, die Tat sei geplant gewesen.

Lebensgeschichte für 250.000 Mark verkauft

Der Medienhype um die Gastwirtin ist schon während des Prozesses gewaltig. Um die Prozesskosten zu bezahlen, verkauft Marianne Bachmeier für 250.000 Mark ihre Lebensgeschichte an den Stern, gleich zweimal wird ihre Geschichte später verfilmt.

Peggy Parnass, Gerichtsreporterin: "Es wurde ja, da sie so attraktiv war, sehr ausufernd berichtet und mir war klar, dass, wäre sie unansehnlich gewesen, wäre sie eine, sagen wir mal, kleine dickliche Frau gewesen mit irgendwelchen Behinderungen, kein Schwein hätte sich dafür interessiert."

Am "Fall Bachmeier" scheiden sich die Geister

Marianne Bachmeier verbringt wegen Totschlags fast vier Jahre im Gefängnis. Mit 46 Jahren stirbt sie an Krebs. Noch heute, über 25 Jahre nach ihrem Tod, scheiden sich am "Fall Bachmeier" die Geister.

Die einen sehen in ihr eine Mutter, die über den Tod ihrer kleinen Tochter nicht hinweggekommen ist, andere wiederum bezeichnen sie als eiskalte, freiheitsliebende und eine Frau, die im Mittelpunkt stehen will. Fakt ist: Der Fall Marianne Bachmeier hat Justizgeschichte geschrieben.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Melahat Simsek
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 02. November 2022 an den Prozessbeginn gegen Marianne Bachmeier. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

ZeitZeichen am 03.11.2022: Vor 65 Jahren: Die Hündin Laika wird ins All geschossen.