"Was dich zu mir getrieben, es war wohl mehr Leidenschaft als Freundschaft, mehr wollüstige Gier als echte Freundschaft." In einem Briefwechsel hadert Héloïse mit ihrem Mann dem Logik-Professor Pierre Abélard. Ihre Bilanz ist verheerend - einerseits. Andererseits schreibt sie, selbst im Gebet sei sie erfüllt von der Erinnerung, "an des Fleisches Lust, die ich an deinem Herzen liegend genießen durfte".
Doch Pierres Antworten werden von Brief zu Brief immer herzloser. Es wird offensichtlich, wie asymmetrisch die Beziehung der beiden ist. Abélard ermahnt Héloïse lediglich, sie müsse für ihn beten, denn er sei in Lebensgefahr.
Immer wieder Streit
Begonnen hat alles mit einer Prahlerei im Paris des zwölften Jahrhunderts. Pierre Abélard ist in Europa als Meister der Logik berühmt. Allerdings gilt er als besserwisserisch. Wo immer er bisher gelehrt hat, gab es Streit mit seinen Kollegen.
Eines Tages verkündet Abélard großmundig vor seinen Studenten, er werde Héloïse verführen. Die begehrte Jungfrau lebt in Obhut ihres wachsamen Onkels, des Erzpriesters Fulbert. Ihm stellt Abélard eine Falle, indem er sich darüber empört, dass Frauen keine Universitäten besuchen dürfen.
Mit einem Messer
Darauf springt der Erzpriester an, denn er will seiner Nichte eine höhere Bildung ermöglichen. Der Professor darf Héloïse Privatunterricht erteilen. Bald lacht ganz Paris über die Ausschweifungen im Haus Fulbert. Nur der Erzpriester ist ahnungslos - bis seine Nichte schwanger wird.
Fulberts Rache ist blutig: Er schleicht sich ins Schlafzimmer des Professors und kastriert ihn mit einem Messer. Héloïse ist zuvor zu Abélards Schwester in die Bretagne geflohen. Dort wird der gemeinsame Sohn geboren.
Als Ketzer verfolgt
Um die Lage zu beruhigen, willigt Abélard ein, Héloïse zu heiraten. Aber er will die Ehe geheim halten. Doch diesen Gefallen tut ihm Fulbert nicht. Um der Erniedrigung zu entgehen, wird Abélard Mönch und steckt Héloïse als Nonne ins Kloster.
Damit beginnt der Briefwechsel der beiden. Abélard schildert Héloïse seine Lage: Bernhard von Clairvaux hat das Konzil von Sens aufgefordert, den Professor als Ketzer zu verbrennen. Denn Abélard behauptet, auch in der Religion sei Logik wichtiger als Gehorsam.
Doch der Professor hat Glück: Das Konzil verbrennt lediglich seine Bücher und Papst Innozenz II. verdammt ihn zu "immerwährendem Schweigen". Abélard flieht nach Cluny, wo ein Verehrer von Héloïse Abt ist. Dieser bringt Pierre Abélard im Kloster Saint-Marcel unter. Dort stirbt er am 21. April 1142.
Autor des Hörfunkbeitrags: Hans Conrad Zander
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. April 2022 an Pierre Abélard. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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