5. März 1922 - Filmregisseur Pier Paolo Pasolini wird geboren

Stand: 05.03.2022, 10:20 Uhr

Dichter und Filmemacher, Marxist, bekennender Schwuler und kritischer Katholik: Pier Paolo Pasolini ist alles zugleich - mit einer Leidenschaft, die seine Zeit überfordert. Unter bis heute nicht endgültig geklärten Umständen findet der bedeutende Vertreter des italienischen Neorealismus ein gewaltsames Ende.

Am Abend vor seinem grausamen Tod gibt Italiens umstrittenster Intellektueller sein letztes Interview. "Für das Leben, das ich führe, bezahle ich einen Preis", bekennt Pier Paolo Pasolini darin. Sechs Stunden später, in den Morgenstunden des 2. November 1975 findet man seinen völlig zerschmetterter Körper im Küstenvorort Ostia, 30 Kilometer von Rom entfernt, am Rande einer Barackensiedlung.

Pier Paolo Pasolini, ital. Filmregisseur (Geburtstag, 05.03.1922) WDR ZeitZeichen 05.03.2022 14:55 Min. Verfügbar bis 05.03.2099 WDR 5

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Als Täter verhaftet die Polizei den jungen Stricher Pino Pelosi, den der offen schwul lebende Pasolini in der Nacht in seinem Alfa Romeo mitgenommen haben soll. Der 17-Jährige gesteht, den bekannten Regisseur niedergeschlagen und mit dessen Auto überrollt zu haben. 1979 wird Pelosi wegen Mordes zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Dissident zwischen allen Stühlen

Pier Paolo Pasolini ist zeitlebens ein Seismograf der italienischen Gesellschaft, deren Brüche er in Gedichten und Filmen radikal offenlegt. Ein Dissident zwischen allen Stühlen, verhasst von der Rechten, vom Vatikan als Satan verteufelt und von der Linken abgelehnt. Die Kommunistische Partei schließt ihn wegen "moralischer Unwürdigkeit" aus.

Die Auswüchse der Konsumgesellschaft erlebt der Marxist Pasolini als einen Albtraum: "Wir haben es mit dem Entstehen eines neuen Totalitarismus zu tun, einem gesellschaftlichen Prozess, den ich als kulturelle Gleichschaltung oder Nivellierung bezeichne, die weit über den Faschismus hinausgeht. Es ist die Konsumgesellschaft, die alles Authentische und Besondere zerstört."

Mitbegründer des Neorealismus

Am 5. März 1922 als Sohn eines gewalttätigen Mussolini-Anhängers und einer antifaschistischen Mutter geboren, wächst Pier Paolo Pasolini in ärmlichen Verhältnissen auf. Aufstände der Landarbeiter im Friaul gegen die Großgrundbesitzer prägen sein politisches Denken. Mit 27 Jahren kommt er im Januar 1950 nach Rom, wo er in der Borgata, einem Slum am Stadtrand, ums Überleben kämpft.

Pier Paolo Pasolini auf dem Set von "Teorema", 1968 | Bildquelle: Angelo Novi / Fondazione Cineteca di Bologna

In seinem ersten Roman "Ragazza di Vita" schildert er 1955 das raue Leben kleinkrimineller Jugendlicher in den Elendsvierteln. Unterstützt von Regisseur Federico Fellini entdeckt Pasolini das Kino für sich und erhält für seine neorealistischen Debütwerke "Accatone" und "Mamma Roma" großes Lob der internationalen Filmkritik.

Rund 20 filmische Essays und Spielfilme dreht Pasolini von 1961 bis 1975. Sein letzter, "Die 120 Tage von Sodom" nach dem Roman des Marquis de Sade, ist sein radikalster. Wegen drastischer Darstellungen widerwärtiger, faschistischer Gewalt zählt er zu den umstrittensten Werken der Filmgeschichte und steht noch heute in vielen Ländern auf dem Index. Der Regisseur selbst erlebt die Uraufführung nicht mehr: Wenige Monate zuvor wird er in Ostia umgebracht.

Wer sind die wahren Mörder?

An der Schilderung des Tathergangs durch den als Mörder verurteilten Pino Pelosi bestehen allerdings schon damals starke Zweifel. Zeugenaussagen und gerichtsmedizinische Untersuchungen hatten ergeben, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehrere Personen an Pasolinis Ermordung beteiligt waren.

So konnten keine Reifenspuren an dessen Leiche festgestellt werden, was der Aussage Pelosis widersprach. Dagegen deuten die verheerenden Verletzungen auf einen stumpfen Metallgegenstand als Tatwaffe hin. 2005 erklärt Pelosi, den Mord auf Anweisung dubioser Hintermänner ausgeführt zu haben. Als er schließlich eine Tatbeteiligung völlig bestreitet, wird der Fall neu aufgerollt, aber 2015 wegen fehlender neuer Beweise endgültig zu den Akten gelegt.

Autor des Hörfunkbeitrags: Detlef Wulke
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. März 2022 an Pier Paolo Pasolini. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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