Entlang der rund 300 Kilometer langen Grenze zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti beginnt am 2. Oktober 1937 ein siebentägiger Völkermord. Ausgangspunkt für das lange vorbereitete Gemetzel ist ein Grenzbesuch von General Rafael Trujillo, der die Dominikanische Republik seit mehr als sieben Jahren brutal regiert. Ähnlich wie Adolf Hitler und Benito Mussolini propagiert er Rassismus und Nationalismus.
"Ich habe gehört, dass dominikanische Bauern bestohlen worden sind. Es reicht!", ruft Trujillo in einer Stadthalle der Provinz Dajabón. Die haitianische Migration dürfe nicht gleichgültig betrachtet werden. "Sie sind afrikanischer Abstammung und können für uns keinen ethnischen Anreiz darstellen." Der Diktator verkündet: "Ich werde das in Ordnung bringen! Wir haben bereits begonnen, Abhilfe zu schaffen. 300 Haitianer sind jetzt tot. Dieses Mittel wird fortgesetzt!"
Drei Ohren als Beweis
Über Leben und Tod entscheidet ein rassistischer Sprachtest. Es geht um die Aussprache von "Perejil" - das spanische Wort für Petersilie. "Die kreolischen Haitianer konnten das R nicht rollen, wie es die Dominikaner konnten", sagt Professor Edward Paulino, Historiker am Institute of Criminal Justice in New York. "Wer Perejil also 'falsch' aussprach, der wurde eingesperrt oder sofort umgebracht."
Für das Pogrom an den Haitianerinnen und Haitianern bürgert sich später der verharmlosende Begriff "Petersilien-Massaker" ein. In der Woche der Massaker verlieren vermutlich mehr als 10.000 Menschen ihr Leben. Tausende sterben bei der Flucht und an deren Folgen. Schätzungen gehen von insgesamt bis zu 30.000 Opfern aus.
Erbe des Kolonialismus
Der Hass auf der karibischen Insel Hispaniola, die sich die Staaten Haiti und die Dominikanische Republik teilen, ist ein Erbe des Kolonialismus: Nach der Landung von Christoph Kolumbus 1492 streiten sich Spanien und Frankreich um die Vorherrschaft. 1697 wird Hispaniola geteilt: Die Spanier überlassen den Franzosen das westliche Drittel der Insel. Der Ostteil blieb weiter unter spanischer Herrschaft.
Die Franzosen bringen viele tausend afrikanische Sklaven auf ihrem Territorium unter. Nach einem Aufstand verjagen die Sklaven die Franzosen und gründen im Westen Haiti. Später wird auch der Osten der Insel als Dominikanische Republik unabhängig. Während Haiti kulturell nach Afrika orientiert ist, sehen sich die Einwohner der Dominikanischen Republik in der westeuropäischen Tradition.
Die Hautfarbe "aufweißen"
Diktator Trujillo, der sich 1930 mithilfe der USA an die Macht putscht, hat selbst haitianische Wurzeln. Seine Großmutter stammt aus dem Westen der Insel. Mit Puder und Schminke versucht er jeden Tag, seine Haut aufzuhellen. Trotzdem lehnt er die haitianischen Grenzgänger ab, die als billige Arbeitskräfte ihren Lebensstandard verbessern wollen.
Nach dem "Petersilien-Massaker" drängen vor allem die USA auf Reparationsleistungen. Die Trujillo-Junta überweist umgerechnet zehn Millionen Euro an Haiti, ohne Entschuldigung oder Schuldeingeständnis. Um aus dem internationalen Abseits zu kommen, hat Trujillo 1938 eine perfide Idee: Angeblich aus humanitären Gründen will er bis zu 100.000 Juden aufnehmen, die vor den Nationalsozialisten aus Deutschland flüchten.
Tatsächlich aber verfolgt Trujillo damit ein rassistisches Ziel: Er will die Hautfarbe seiner Bevölkerung "aufweißen", wie er unumwunden einräumt. Doch sein Plan geht nicht auf. Letztlich siedeln sich nur einige hundert Juden in der Dominikanischen Republik an.
Rafael Trujillo wird 1961 von einem Killerkommando in seinem Auto erschossen. Den Zenit seiner Macht hat er da schon überschritten. Das Volk hatte schon zuvor geraunt: "Ein Taifun hat ihn hergeweht, ein Taifun wird ihn wieder davonfegen."
Autor des Hörfunkbeitrags: Burkhard Hupe
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 2. Oktober 2022 an das "Petersilien-Massaker". Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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