Peter der Große gilt bislang nicht nur als äußerst brutaler Herrscher, sondern auch als intelligenter, radikaler Erneuerer.
Ein Zar, der das Tor nach Westen aufstößt und sein Land in die Moderne führt. Dieses Bild ist nicht ganz falsch, aber unvollständig, wie Historiker anhand von neuen Forschungen sagen.
Ein Reformer?
Die Kieler Historikerin Martina Winkler: "Wir können nicht anfangen mit Peter, und die Zeit vorher als düster und statisch darstellen. Das widerspricht einfach komplett den Erkenntnissen der Wissenschaft." Russland sei nicht so rückständig wie behauptet gewesen - und Peter nicht der glanzvolle Reformer im Kampf gegen die Traditionen.
Ein Beispiel: Peter befiehlt zwar die Reform des Schulwesens und die Einrichtung einer Akademie der Wissenschaften. Doch die konkrete Umsetzung dieser Pläne überlässt er dem Adel, der seine eigenen Ziele verfolgt.
Unterwegs in Europa
“Peter der Große gründet Petersburg 1703”. Gemälde, 1862, von Alexander von Kotzebue
Peter stammt aus dem Geschlecht der Romanows. Er ist neugierig und will die Welt erkunden und verstehen. Schon als Kind wird er Zar. Sein Blick ist nach Westen gerichtet. Er holt sich Ideen in Europa. Mit einer sogenannten "Großen Gesandtschaft" aus mehr als 250 Personen bereist Peter I. das Baltikum, Preußen, Holland, England und zuletzt das Habsburger Reich. Er lässt sich als Zimmermann ausbilden, baut eine Fregatte. Die Seefahrt und der Aufbau einer Armee sind ihm wichtig.
Zurück in Russland schneidet der Zar Adeligen eigenhändig die Bärte ab und verbietet die traditionellen langen Mäntel mit den weiten Ärmeln. Er schafft Titel und Stellung der orthodoxen Patriarchen ab. Den Adel verpflichtet er zum Staatsdienst und ersetzt traditionelle Hierarchien durch eine Leistungselite. Die Leibeigenschaft verschärft er.
Den Sohn lässt er zu Tode foltern
Doch das Volk murrt, der Adel verschwört sich gegen ihn. Peter I. reagiert auf Widerstand immer mit roher Gewalt. Aufstände lässt er blutig niederschlagen. Seine erste Frau zwingt er ins Kloster. Seinen Sohn Alexei, der die Reformen Peters ablehnt, lässt er von der Thronfolge ausschließen und 1718 zu Tode foltern. Es ist daher sein Enkel, der als Zar Peter II. den Thron nach ihm besteigen wird.
Als Zar Peter I. im Jahr 1725 starb, trug er bereits den Beinamen der Große. Zu Recht? Die Kieler Historikerin Winkler sagt, es sei "nicht unsere Aufgabe, jetzt zu entscheiden, war der Name zu Recht oder nicht zu Recht? Das ist ja kein Name, der von den Historikern oder Historikern im Nachhinein verliehen wurde, sondern von den Zeitgenossen".
Autorin des Hörfunkbeitrags: Maren Gottschalk
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 9. Juni 2022 an Peter den Großen. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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