In einem Antiquariat in der südfranzösischen Stadt Avignon tauchen 2022 bisher unbekannte Schriften von Nostradamus auf. Sie sind auf den 1. April 1523 datiert - und authentisch. "Ja, seine Handschrift kennen wir schließlich sehr gut", sagt die Geschichtsprofessorin Sabine Thomasius von der Leibniz-Universität Hannover. "Mit der Radiokarbonmethode sind sie auch eindeutig ins Jahr 1523 zu datieren."
Damals ist Nostradamus 19 Jahre alt und studiert in Avignon. In dieser Zeit verfasst er seine ersten Verse, auch "Centurien" genannt. "Die sind dann ja über viele Jahrhunderte im dortigen Papstpalast unter Verschluss gehalten worden", sagt die Historikerin Thomasius.
Hinweise auf Facebook und Twitter
Seine ersten Voraussagen hat der junge Nostradamus genau terminiert: "Und wenn das neue Jahrtausend jung sein wird, so werden sie eigenen Welten schaffen und Ihr werdet Euch verfangen in ihren Netzen!" So stehe es geschrieben "im schaurigen Buch der Fratzen". Für Dr. Werner Weiss, Privatgelehrter aus Witten-Herdecke, ist klar, was damit gemeint ist: "Facebook, Mark Zuckerberg, Metaverse."
Weiter heißt es bei Nostradamus: "Der Mann mit dem Quadergesicht wird Blitz und Donner in Eure Kutschen schicken; er wird gen Himmel fahren und das Zwitschern der Vögelein zu Markte tragen." Auch diese Aussage beziehe sich auf unsere Gegenwart, sagt Weiss, der Nostradamiker ist - also Deuter, aber auch Anhänger des legendären französischen Arztes und Astrologen Michel de Nostredame. Gemeint sei "Elon Musk, Tesla, SpaceX, Twitter."
Warnung vor "Sturm der Fäkalien"
Professorin Thomasius ist hingegen skeptisch: "Das wirkt jetzt so, als hätte Nostradamus damals die sozialen Netzwerke von heute genau beschrieben." Sie hält auch Zufallstreffer für möglich. Der Privatgelehrte Weiss führt ein weiteres Nostradamus-Zitat als Beleg für seine Sicht an: "Ein Wort wird das andere geben - und am Ende wird ein Sturm der Fäkalien sie verschlingen!" Damit seien eindeutig die Shitstorms von heute gemeint.
Er kenne keine bessere Beschreibung des Internets, so Weiss. Auch wenn sie in der Sprache des 16. Jahrhunderts geschrieben sei. Der Nostradamus-Fan aus Witten-Herdecke verweist auf eine weitere Prognose des "Sehers von Salon":
Das Ende der Welt?
"Das ist schon erstaunlich konkret, wie er hier Ukrainekrieg und Corona zu beschreiben scheint", räumt die Geschichtswissenschaftlerin Thomasius ein. Nostradamiker wie Dr. Weiss sehen denn auch in den jüngst aufgetauchten Versen des Nostradamus mehr als nur zutreffende Zukunftsprognosen: nämlich eine sich-selbst-erfüllende Prophezeiung.
Nostradamus hat laut Weiss auch einen Fluch ausgesprochen. Als Beleg führt er diesen Vers an: "Eines Tages werden die Ströme der Energie versiegen - und es wird herrschen Dunkelheit und Wehklagen!" Für den Privatgelehrten ist das die Warnung, "wie das Internet zur Katastrophe wird und uns dann alle mit ins Verderben reißt!"
Voller Durchblick fehlt
Die Historikerin Thomasius hofft jedoch, dass sich der Fluch des Nostradamus nicht erfüllt: "In Zeiten des Klimawandels, in denen nicht mehr nur obskure Seher das Ende der Welt vorhersagen, sondern leider auch unsere besten Wissenschaftler - da ist es das letzte, was wir brauchen können: ein obskurer Seher, der auch noch recht hat."
Immerhin scheint der große Visionär nicht den vollen Durchblick gehabt zu haben. Denn die Ursache seines Todes am 2. Juli 1566 in Salon-de-Provence war vermutlich ein Herzinfarkt - den der 62-Jährige nicht vorhergesehen hat.
Autor des Hörfunkbeitrags: Thomas Pfaff
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. April 2023 an die Internet-Prophezeiung von Nostradamus. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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