"Ehret die Mütter" - diese eingängige Parole ist auf Hunderten Plakaten in Blumengeschäften, Banken, Postämtern und Straßenbahnen zu lesen. Der erste Muttertag am 13. Mai 1923 soll groß gefeiert werden. So will es der "Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber" und dessen umtriebiger Geschäftsführer Rudolf Knauer. Am besten natürlich mit Blumen als Geschenk.
"Denk heute deiner Mutter Güte, bring ihr die frische Maienblüte", appellieren die Floristen ans kindliche Gewissen. Damit trifft das Vorurteil, der Muttertag sei von der Blumenindustrie erfunden worden, in Deutschland tatsächlich zum Teil zu.
Die "Mutter" des Muttertags
Seine eigentlichen Wurzeln hat der Muttertag, wie wir ihn heute kennen, aber in den USA. Die Pfarrerstochter Anna Marie Jarvis kämpft nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1905 öffentlich dafür, allen Müttern einen Ehrentag zu widmen. 1914 gibt der US-Kongress seinen Segen und führt den "Mothers Day" als nationalen Feiertag ein.
Jarvis‘ Freude über das Erreichte währt jedoch nur kurz. Entsetzt über die massive Kommerzialisierung des Muttertags setzt sie sich ab den 1920er-Jahren dafür ein, ihre Errungenschaft wieder abzuschaffen - ohne Erfolg. Von den Engländern übernommen, breitet sich die neue Tradition rasch aus.
Die meisten Länder feiern den Muttertag, wie die Deutschen, an jedem zweiten Sonntag im Mai. Ein weiteres beliebtes Datum ist der Weltfrauentag am 8. März. An diesem Tag werden zum Beispiel in Bulgarien, Serbien und der Ukraine die Mütter beschenkt.
Nazis verleihen "Karnickelorden"
1933 erkennen die Nationalsozialisten im "Tag der Mutter" das propagandistische Potenzial. Frauen mit vielen Kindern bekommen jetzt außer Blumen auch das sogenannte Mutterkreuz verliehen. Die zweifelhafte Auszeichnung, die im Volksmund auch als "Karnickelorden" verspottet wird, gibt es in Bronze, Silber und Gold. Letzteres für acht oder mehr "erbgesunde" Kinder.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der Muttertag in Deutschland erstmals 1950 wieder gefeiert. Er entwickelt sich schnell zu einem Millionengeschäft. Bis heute ist die Woche vor dem Muttertag für Floristen die umsatzstärkste im ganzen Jahr. Rund 120 Millionen Euro setzen sie in diesem Zeitraum um - selbst der Valentinstag kann da nicht mithalten.
Rechte statt Blumen
Allerdings blüht parallel dazu die Diskussion auf, ob der Muttertag noch zeitgemäß ist. Kritiker monieren schon in den 1970er-Jahren, dass solche Ehrentage überkommene Rollenklischees festigen. "Nicht Blumen, Rechte fordern wir!", heißt es auf zahlreichen Protestmärschen.
100 Jahre nach seiner Einführung fremdeln zunehmend mehr Menschen mit dem Ehrentag für die Mütter. Doch dem Wunsch nach Abschaffung wird bislang ebenso wenig entsprochen, wie dem nach einer Umbenennung in "Elterntag". Und so wird der Muttertag in Deutschland weiter gefeiert. Es scheint so, als hätten kommerzielle Interessen und emotionale Bedürfnisse ein nachhaltiges Bündnis geschlossen.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Steffi Tenhaven
Redaktion: Matti Hesse
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