19. Oktober 1762 - Einweihung vom Hamburger Michel

Sie ist die größte Barockkirche Norddeutschlands. Mit ihrem grünen, kupferverkleideten Turm thront St. Michaelis über dem Hamburger Hafen. Ihre barocke Hülle trägt sie allerdings nicht von Anfang an.

Bis heute ist sie eines der Wahrzeichen der Freien und Hansestadt Hamburg: die Kirche Sankt Michaelis, von den Bürgern liebevoll "Michel" genannt. Seit mehr als 300 Jahren thront sie über dem Hamburger Hafen. Ihren barocken Mantel trägt sie allerdings erst seit 1762.

Denn Mitte des 18. Jahrhunderts geht ein Strafgericht Gottes auf Hamburg nieder und zerstört die alte Kirche. So jedenfalls sehen es die Bürger der Hansestadt. Naturwissenschaftlich betrachtet ist es nur ein Blitz, der in den Turm einschlägt. Das anschließende Feuer vernichtet das Gotteshaus vollständig.

Sodom und Gomorra in Hamburg

Neun Tage nach dem Brand ruft der Rat der Stadt zu einem außerordentlichen Buß-, Fast- und Bettag auf, um den Zorn Gottes abzumildern. Von den Kanzeln der Stadt wird über Sodom und Gomorra gepredigt. So wollen die Geistlichen für den Wiederaufbau der Kirche sammeln. Das Unterfangen gelingt: Die Spendenbereitschaft der Hamburger ist überwältigend.

Einweihung von St. Michaelis in Hamburg (am 19.10.1762) WDR ZeitZeichen 19.10.2022 14:50 Min. Verfügbar bis 19.10.2099 WDR 5

Download

Mit dem Wiederaufbau werden Johann Leonhard Prey und Ernst Georg Sonnin beauftragt. Die Architekten verzichten darauf, den Renaissancestil des Ursprungsbaus zu imitieren. Nach dem Vorbild der Dresdner Frauenkirche schaffen sie ein helles Werk des protestantischen Barock.

Mit seinem Rundbau will Sankt Michaelis das Gemeinschaftsgefühl stärken. Jeder soll von überall gleich viel sehen und hören können. Die Innenausstattung ist vergleichsweise schlicht: Die in Weiß gehaltenen Wände und Decken sind einzig mit Stuck verziert, die Klarglasfenster lassen Licht und Sonne hinein.

Turm kommt erst später hinzu

Am 19. Oktober 1762 wird die neue Kirche Sankt Michaelis eingeweiht - allerdings noch ohne Kirchturm. Der kommt erst 24 Jahre später dazu. Mit seinem roten Backsteinsockel, dem kupferverkleideten Aufsatz mit Glocken- und Uhrgeschoss, der offenen Säulenrotunde und der abschließenden grünen Kuppel mit ihrer langen Spitze fällt der Turm stilistisch aus dem Rahmen. Von dort bläst auch heute noch zweimal am Tag der Türmer einen Choral hinüber in die Stadt - eine über 300 Jahre alte Tradition.

Erneute Zerstörung 1906

Die Liebe der Hamburger zu Sankt Michaelis ist am Anfang eher verhalten. Lange Zeit gilt sie wegen ihrer Lage im Hafenviertel als Kirche der Armen.

Wie sehr die Bürger ihren "Michel" inzwischen ins Herz geschlossen haben, zeigt sich 1906, als ein Brand infolge von Reparaturarbeiten die Kirche ein weiteres Mal zerstört. Auch wenn diesmal keiner an ein Gottesurteil glauben mag, ist die Spendenbereitschaft der Hamburger immens.

Und diesmal entscheidet sich die Stadt nicht für einen Neubau: Sankt Michaelis wird im alten Stil wieder aufgebaut. Am 19. Oktober 1912, auf den Tag genau 150 Jahre nach der Einweihung der zweiten Michaeliskirche, findet der Festgottesdienst für die dritte Sankt Michaeliskirche statt.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Heide Soltau
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. Oktober 2022 an die Einweihung von St. Michaelis, dem Hamburger Michel.

ZeitZeichen am 20.10.2022: Vor 80 Jahren: Geburtstag von Christiane Nüsslein-Volhard