Über ihre Kindheit, ihre Jugend und ihre frühen Jahre als Erwachsene ist wenig bekannt. Fest steht: Mathilde Jacob, genannt Mathel, wird am 8. März 1873 als älteste von acht Kindern eines verarmten jüdischen Schlachters in Berlin geboren. Sie lernt Stenografieren und Buchhaltung und arbeitet ein paar Jahre lang als Angestellte.
Mit 34 Jahren eröffnet sie in Berlin ein Schreib- und Übersetzungsbüro - durchaus ungewöhnlich für die damalige Zeit. Zu ihren Kunden zählen die Macherinnen und Macher des linken Parteiflügels der SPD, Franz Mehring, Karl Liebknecht oder auch August Thalheimer.
Seit dem Spätsommer 1914 gehört auch Rosa Luxemburg zu den Kundinnen ihres Büros. Die beiden Frauen verstehen sich auf Anhieb.
Aus Überzeugung schließt sich Mathilde Jacob dem politischen Kurs von Rosa Luxemburg an und bekennt sich etwa zur Spartakusgruppe, die 1917 noch Teil der geeinten SPD ist.
Schmuggel von Briefen und Texten
Das Schreibbüro von Mathilde Jacobs fungiert schon bald als konspirative Zentrale. Hier werden Schriften diskutiert und Nachrichten über illegale Aktionen weitergegeben.
Jacob ist Vertraute, Freundin und Mitarbeiterin von Rosa Luxemburg. Jahrelang wirkt sie im illegalen Spartakusbund und der frühen KPD. Sie schmuggelt Briefe und Texte in die Zelle von Rosa Luxemburg und nimmt fertige Artikel mit hinaus.
Die Arbeit ist nicht ungefährlich: Wer den Krieg radikal ablehnt und eine Revolution des Internationalen Proletariats fordert, wird von der Regierung als Staatsfeind betrachtet. Schließlich gerät auch Mathilde Jacob in den Fokus der Polizei.
Von der KPD wieder in die SPD
Die Ermordung von Rosa Luxemburg am 15. Januar 1919 ist ein tiefer Einschnitt in Mathilde Jacobs Leben.
Paul Levi, Rosa Luxemburgs Anwalt und Mitbegründer der KPD, wird neuer Vorsitzender der Partei. Mathilde Jacob arbeitet ab sofort für ihn. Doch ihr Kopf ist zu unabhängig, um sich der Parteidisziplin zu unterwerfen. Mathilde Jacob und Paul Levi werden schließlich aus der KPD ausgeschlossen und kehren in die SPD zurück.
Ende im Konzentrationslager Theresienstadt
Mit dem Jahr 1933 verdüstert sich das Leben der 60-jährigen Mathilde Jacob. Als Jüdin kann sie bald kein Geld mehr verdienen. Am 27. Juli 1942 wird sie ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort stirbt sie am 14. April 1943.
Heute ist der Rathausplatz im Berliner Bezirk Tiergarten nach ihr benannt.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Maren Gottschalk
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 08. März 2023 an den Geburtstag von Mathilde Jacob, Freundin und Sekretärin von Rosa Luxemburg.
ZeitZeichen am 09.03.2023: Todestag von Ex-Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger