"Im Blick verrät sich eine Leidenschaft, von der die stoische Fassade sonst nichts merken ließe", schreibt Thomas Mann über seinen Freund, den "Dichter-Arzt" Martin Gumpert. "Eben deshalb wirkt die Ruhe so suggestiv: sie ist beherrschtes Temperament, diszipliniertes Feuer, nicht Apathie oder Kälte." 1938 lobt Mann Gumperts erfolgreiches Buch "Dunant - Der Roman des Roten Kreuzes" als eine außerordentliche literarische Leistung.
Für Martin Gumpert, der am 13. November 1897 in Berlin geboren wird, ist Schreiben schon früh eine Leidenschaft: "Tag und Nacht schrieb ich unzählige Gedichte, Haßgesänge gegen die Schule, gegen die Stadt, gegen die Welt". Nach mehreren Schulverweisen legt Gumpert 1916 mitten im Ersten Weltkrieg das Notabitur ab und wird zum Militärdienst einberufen. Im Jahr darauf erscheint sein erster Gedichtband "Verkettung", eine Sammlung seines jugendlichen Grams und Trotzes.
Dermatologie als Fachgebiet
Weil Gumpert wie sein Vater Arzt werden will, kommt er zunächst auf eine Sanitätsschule. Seine Erlebnisse als Sanitätssoldat in der Türkei festigen seine pazifistische Haltung, die er bereits als Schüler vertreten hat. Nach Kriegsende engagiert sich Gumpert in der sozialistischen Studentenschaft und in der Nie-wieder-Krieg-Bewegung. In Berlin und Heidelberg studiert er Medizin. Er wählt die Dermatologie als Fachgebiet und promoviert über den Ursprung der Syphilis.
Bei seiner ersten Stelle im Berliner Virchow-Krankenhaus wird er Leiter der Abteilung für Geschlechtskrankheiten bei Kindern. Die kleinen Patienten sind oft Opfer sexualisierter Gewalt. Gumpert fordert die Schaffung eines Netzwerks von Ärzten, Lehrern, Erziehern und Fürsorgebeamten, um dagegen vorzugehen. Für ihn haben viele Krankheiten soziale Ursachen. Dazu gehört auch die Lage auf dem Immobilienmarkt.
In die USA ins Exil
Ab 1927 führt Gumpert eine eigene Praxis und leitet daneben die städtische Ambulanz im Wedding. Als immer häufiger Patienten mit Entstellungen zu ihm kommen, lässt er sich ein paar Monate lang in Paris in Entstellungschirurgie ausbilden und gründet nach seiner Rückkehr das erste deutsche Beratungs- und Behandlungszentrum für Entstellte. Daneben setzt sich Gumpert für die kostenlose Behandlung von Menschen ein, die in Armut leben.
Dieses Engagement endet nach der Machtübernahme Hitlers abrupt: Die Nationalsozialisten verbieten dem jüdischen Arzt das Praktizieren. Gumpert konzentriert sich wieder aufs Schreiben. Er verfasst Biografien von Forschern und Ärzten. Sein Buch über Samuel Hahnemann, den Begründer der Homöopathie, wird ein Bestseller. Doch dann folgt der nächste Schlag: Gumpert wird aus dem "Reichsverband deutscher Schriftsteller" ausgeschlossen.
Begründer der Geriatrie
1936 emigriert er in die USA und eröffnet in New York bald eine dermatologische Praxis. Nachts schreibt er über die Erfahrungen des Exils. Seine "Berichte aus der Fremde" werden später mit einem deutschen Lyrikpreis ausgezeichnet. Neben Thomas Mann lernt Gumpert auch dessen Tochter Erika kennen, mit der ihn mehrere Jahre eine tiefe Liebe verbindet.
In den 1950er-Jahren beschäftigt sich Gumpert mit Alterskrankheiten, heute gilt er als Gründer dieses Fachbereichs. Als Leiter der Geriatrischen Klinik des Jewish Memorial Hospital rät er seinen Patienten, ihr eigenes Gesundheitspotenzial zu sehen und neue Dinge auszuprobieren. Das erhalte jung. Martin Gumpert selbst wird nur 57 Jahre alt. Er stirbt am 18. April 1955 an einem Herzinfarkt in New York.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Maren Gottschalk
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 13. November 2022 an Martin Gumpert. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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