Martin Bormann senior gilt in der Nazi-Zeit als Hitlers Sekretär. Bei den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg wird der NSDAP-Politiker in Abwesenheit zum Tode verurteilt – da lebt er aber schon nicht mehr, wie sich erst Jahrzehnte später herausstellt.
Sein gleichnamiger Sohn Martin Bormann sagt über den Vater: "Er ist ein absolut gläubiger Gefolgsmann von Adolf Hitler gewesen bis zu seinem Ende. Und er hat in seinen Ämtern auch zunehmend Verantwortung auf sich nehmen müssen und zunehmend auch Schuld auf sich geladen."
1930 wird Martin Bormann junior geboren. Er ist das älteste von neun Kindern von Martin Bormann senior und seiner Frau Gerda, deren Vater auch schon früh in der Nazi-Partei aktiv ist. Hitler ist Trauzeuge der beiden. Der Sohn wächst auf dem Obersalzberg im Dunstkreis Hitlers auf. Er kommt in ein nationalsozialistisches Eliteinternat in Feldafing am Starnberger See. Begeisterung für den NS-Staat gehört zum Lehrplan.
Hinwendung zum Christentum
Das Kriegsende 1945 erlebt der Jugendliche als überzeugter Hitler-Anhänger: "Da kam dann dieser Funkspruch durch: Der Führer ist im Kreis seiner Getreuen gefallen? Das war Weltende. Für mich war es auch fast Weltende." Sein Vater setzt sich unterdessen ab – und bleibt jahrzehntelang verschollen. Erst in den 1970er-Jahren wird seine Leiche in Berlin gefunden und identifiziert.
Für den Sohn vollzieht sich unmittelbar nach Ende des Krieges eine Lebenswende: "Ich bin bei einem Bergbauern gelandet und dieser Bergbauer hat mir ein christliches Leben vorgelebt. Ich habe eine neue Familie gefunden." Hier konfrontiert sich Martin Bormann jr. auch erstmals mit den Taten des NS-Regimes.
Der junge Bormann findet im katholischen Christentum eine neue geistige Heimat. Er studiert Theologie, wird zunächst Priester. Später sieht er sich mit einem Missbrauchsvorwurf aus dieser Zeit konfrontiert, den er stets abstreitet und der nie abschließend geklärt wird - ein Schatten in seiner Biographie. Und auch der Schatten des Vaters verfolgt ihn weiter.
Bekenntnis zur Schuld des Vaters
Martin Bormann junior klärt ab den 1990er-Jahren – etwa in Schulen, bei Vorträgen – über die Verbrechen des Nationalsozialismus auf: "Da hab‘ ich mir gesagt, jetzt wird’s Zeit, dass wir gegensteuern gegen ein Wiederaufleben von Ausländerfeindlichkeit und NS-Ideen und solchen Dingen. Das hat sich ja gezeigt, dass das besonders in den neuen Bundesländern durch Defiziten an Information eine Gefahr war."
Bormann bekennt sich auch öffentlich zur Schuld seines Vaters. Er ist einer der ersten Nachfahren ranghoher Täter des Nationalsozialismus, der das Schweigen bricht. Außerdem beteiligt er sich an Gesprächen mit Töchtern und Söhnen von NS-Tätern. Auch Gesprächen mit Kindern von NS-Opfern stellt er sich. So unterschiedlich die Schicksale von Täter- und Opfer-Kindern sind, so haben sie doch eines gemeinsam: Kriegsverbrechen und der Holocaust sind bis heute in ihrem Leben präsent. 2013 stirbt Martin Bormann junior mit 82 Jahren.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Irene Dänzer-Vanotti
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 11. März 2023 an Martin Bormann, den Sohn des gleichnamigen Nazi-Kriegsverbrechers. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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