2. Juli 1882 - Marie Bonaparte wird geboren

Stand: 16.06.2022, 18:05 Uhr

Ihr Ur-Großonkel ist Napoleon, sie ist die Erbin der Casinogründer von Monte Carlo und mit einem Prinzen verheiratet: Marie Bonaparte lebt äußerst privilegiert – und fühlt sich doch innerlich leer. Das ändert sich erst, als sie Sigmund Freud trifft.

Marie Bonaparte, fr. Psychoanalytikerin (Geburtstag, 02.07.1882) WDR ZeitZeichen 02.07.2022 14:55 Min. Verfügbar bis 02.07.2099 WDR 5

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"Ich liebte Mörder, sie schienen mir interessant", schreibt Marie Bonaparte in ihrem Memoiren. "War nicht auch mein Großvater einer gewesen, als er den Journalisten Victor Noir erschoss? Und erst mein Ur-Großonkel Napoleon, was für ein monumentaler Mörder!"

Schon als Kind liest die am 2. Juli 1882 geborene Bonaparte-Prinzessin begeistert die Schauergeschichten von Edgar Allan Poe, die sie in der Familienbibliothek findet. Die Bücher sind eine willkommene Abwechslung in ihrer behüteten, aber auch einsamen Kindheit.

Hochzeit mit dem griechischen Prinzen Georg

Ihre bürgerliche, aber sehr reiche Mutter stirbt nur einen Monat nach ihrer Geburt an Tuberkulose. Die mürrische und strenge "Bonaparte"-Großmutter bestimmt fortan über Marie, der unter anderem das Spielen untersagt wird. Trotz rabiater Zwänge erobert sich das intelligente Mädchen geistige Freiräume.

Mit 16 Jahren sorgt Marie Bonaparte für einen ersten Eklat: Sie verliebt sich in den korsischen Sekretär des Vaters, was als "nicht standesgemäß" empfunden wird. Zudem erpresst der Angestellte Marie mit ihren naiven Liebesbriefen. Danach realisiert die muntere Teenagerin allmählich, dass sie eine "begehrte Partie" für den europäischen Hochadel ist.

Homosexueller Ehemann trifft auf frigide Frau

Und sie macht dem Namen Bonaparte alle Ehre: Mit 25 Jahren heiratet sie standesgemäß Prinz Georg von Dänemark und Griechenland. Die Gazetten sind begeistert! Die Bonaparte-Prinzessin und reiche Erbin der Casinobesitzer von Monaco heiratet den Bruder des Königs von Griechenland.

Pflichtbewusst sorgt die junge Ehefrau bald für die nächste Adels-Generation. Die Zeugung der zwei Kinder soll indes wenig erfreulich gewesen sein. Prinz Georg ist homosexuell, Marie hält sich für frigide. Auch Affären bringen ihr nicht die erhoffte Lust.

Freundschaft mit Sigmund Freud

Marie Bonaparte: pflichtbewusste Prinzessin und mutige Autorin | Bildquelle: picture alliance / Photo12/Ann Ronan Picture Librar

Als sich Marie Bonaparte zunehmend leer fühlt, sucht sie den bekannten Psychoanalytiker Sigmund Freud in Wien auf. Auf seinem Sofa kann sie endlich abladen, was ihre Seele belastet: verstörende Erlebnisse aus der Kindheit, ihr großes Interesse an Mördern und ihre fehlende Freude am Sex.

Tatsächlich geht es ihr nach vielen Sitzungen besser. Marie Bonarparte wird zur glühenden Anhängerin und treuen Freundin des Psychoanalytikers. Zurück in Paris, übersetzt sie die ersten Schriften von Freud ins Französische und fördert mit ihrem Geld die Etablierung seiner Lehre in Frankreich. Bald nennt man sie "Madame Freud-m'a-dit", ("Madame, Freud hat mir gesagt").

Kämpferin für die weibliche Sexualität

Daneben betreibt sie Studien über die weibliche Sexualität, damals ein Tabuthema. Mutig erklärt sie die Bedeutung der Klitoris und setzt sich gegen Verstümmelungspraktiken in Afrika ein. So trägt sie dazu bei, dass die weibliche Sexualität überhaupt Beachtung findet.

Als die Nationalsozialisten an die Macht kommen, zeigt die Prinzessin einmal mehr, dass eine "echte Bonaparte" keine Angst hat. Sie ermöglicht Sigmund Freud und seiner Familie 1938 die Flucht vor den Nazis nach England, unterstützt zudem weitere österreichische Ärzte, Intellektuelle und Wissenschaftler.

Anhängerin der "reinen Freud’schen Lehre"

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg bleibt die mutige Vorreiterin eine Verfechterin der "reinen Freud’schen Lehre", die diversen Zersplitterungen innerhalb der psychoanalytischen Bewegung kann sie nicht verstehen. Marie Bonaparte stirbt 1962 an einer akuten Leukämie.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Sabine Mann
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 2. Juli 2022 an Marie Bonaparte. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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