15. August 1996 - Volksschauspielerin Liesel Christ gestorben
Stand: 09.08.2021, 09:48 Uhr
Was Heidi Kabel für Hamburg und Trude Herr für Köln, das ist Liesel Christ für Frankfurt. Als "Mamma Hesselbach" schreibt die Volksschauspielerin in den 60er Jahren TV-Geschichte. In ihrem Volkstheater bringt sie Mundartpossen ebenso auf die Bühne wie Goethes Urfaust. Ihre letzte große Fernsehrolle spielt Liesel Christ als Küsterin in der Pfarrer-Serie "Mit Leib und Seele".
Im Dezember 1993 steht Liesel Christ als Wirtin Anna Stuwart in der Lokalposse "Ein Glas Eppelwein" auf der Bühne ihres Volkstheaters. Es ist ein besonderer Abend für Frankfurts Volksschauspielerin, denn mit 74 Jahren feiert Liesel Christ ihr 70-jähriges Bühnenjubiläum. Als kleine Ballettratte ist sie 1923 zum ersten Mal in ihrer Heimatstadt am Main aufgetreten.
Zwölf Kinder hatten Vater und Mutter Christ aus früheren Beziehungen in die Ehe mitgebracht; Liesel kommt im April 1919 als ihr erstes gemeinsames Christ-Kind zur Welt. "Sie sah wirklich goldig aus, wie man hier in Frankfurt sagt", erzählt die Dramaturgin und Liesel-Christ-Biografin Sabine Hock. "Sie hatte Löckchen und war ein bisschen pummelig, ein richtig süßes Kind."
Hauptrolle in "Peterchens Mondfahrt"
Bei kleinen schauspielerischen Darbietungen in der Familie wird das Talent des Mädchens entdeckt. Nur ein Jahr nach ihrem Ballettdebüt an den Städtischen Bühnen spielt die Fünfjährige eine Hauptrolle in dem Kindermärchen "Peterchens Mondfahrt". Mit 14 Jahren ist sie die jüngste Studentin, die an der Frankfurter Hochschule für Musik und Theater aufgenommen wird.
Die großen Charaktere wie das Gretchen im "Faust" oder das Kätchen von Heilbronn bleiben der pummeligen Liesel Christ versagt, ihr Rollenfach wird die Soubrette, die fürs Heitere Zuständige. Nach Engagements in verschiedenen Städten kehrt sie 1945 nach Kriegsende ins heimische Frankfurt zurück.
Mit Kollegen stellt sie einen Cabaret-Abend in der Silvesternacht auf die Bühne, tingelt mit Ex-Ufa-Star Lilian Harvey und spielt am Hessischen Volkstheater. 1953 gehört Liesel Christ an der neuen Landesbühne Rhein-Main zu den Ensemblemitgliedern der ersten Stunde.
"Mamma Hesselbach" gründet Volkstheater
Szenenfoto aus "Firma Hesselbach" mit Liesel Christ (2.v.l.)
Obwohl noch keine 40, wechselt Liesel Christ früh ins Mütter-Fach. Das Fernsehen macht sie in dieser Rolle berühmt - als "Mamma Hesselbach" in der 1960 gestarteten Familienserie "Firma Hesselbach". Jede Folge um die Probleme einer hessischen Kleinunternehmerfamilie ist ein Straßenfeger und Liesel Christ wird als quengelige Gattin von "Babba" Wolf Schmidt zum Publikumsliebling.
Sie selbst ist inzwischen alleinerziehende Mutter zweier Töchter. Als Schauspielerin hat es Liesel Christ nun schwer; die TV-Rolle der "Mamma Hesselbach", die sie sieben Jahre lang verkörpert, klebt an ihr. So erfüllt sie sich 1971 einen lang gehegten Traum. Sie gibt ein Festengagement in Bielefeld auf und gründet in Frankfurt mit dem Volkstheater ihre eigene Mundartbühne. "Um Gottes Willen, jetzt macht die auch noch Hesselbach-Theater", beschreibt Liesel Christ lachend die ersten Reaktionen der Frankfurter.
Trotz Demenz weiter auf der Bühne
Als Theaterprinzipalin aber beweist sie, dass man mit Frankfurter Zungenschlag nicht nur Schwänke, sondern auch Brecht, Goethe und Shakespeare auf die Bühne bringen kann. "Sie wollte ein literarisches Volkstheater und das hat sie dann auch geschafft", sagt Biografin Sabine Hock, die bei Liesel Christ als Dramaturgin debütierte.
Ihre Beliebtheit als Volksschauspielerin nutzt Liesel Christ, um sich bei zahllosen Veranstaltungen für ihre Heimatstadt zu engagieren, vor allem in sozialen Bereichen. Ebenso fördert sie den Wiederaufbau der kriegszerstörten Alten Oper, die Modernisierung des Waldstadions und die Rekonstruktion des historischen Römerbergs.
Obwohl sie in ihren letzten Lebensjahren an Alzheimer erkrankt, steht Liesel Christ weiter auf der Bühne – und Frankfurt feiert sie dafür. "Es hat mich sehr angerührt, wie das Publikum sie getragen hat", erinnert sich Sabine Hock, "die Leute haben ihr den Auftrittsapplaus geschenkt." Einen Monat nach ihrer letzten Vorstellung stirbt Liesel Christ am 15. August 1996 an den Folgen eines Sturzes.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Martina Meißner
Redaktion: Hildegard Schulte
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 15. August 2021 an Liesel Christ. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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