Das Hochmittelalter bringt neue Formen, um ein funktionierendes Staatswesen zu schaffen. Vertrauen gegen Vertrauen. Das Prinzip: Ich leihe dir Land und Bevölkerung, Herrschaft und Richterämter. Du ziehst mit mir dafür in den Krieg. Das Lehnswesen. Eid gegen Eid.
Beide Seiten verpflichten sich zu gegenseitiger Treue: Der Lehnsherr gewährt seinem Vasallen "Schutz und Schirm".
Pyramide bis hinunter zu Leibeigenen
Oben in der Gesellschaft des Mittelalters stehen nach dem König die Kronvasallen: die Vasallen des Königs. Vor allem Herzöge, Grafen und Bischöfe. Sie bekommen ihr Lehen vom König. Diese Kronvasallen müssen im Kriegsfall dafür ein Aufgebot an Rittern und Fußsoldaten stellen. Die Kronvasallen ihrerseits geben ihr Land stückweise an adelige Untervasallen weiter. Auch diese sind zum Kriegsdienst verpflichtet. Eine Pyramide bis hinunter zu den leibeigenen Bauern. Sie müssen die da oben versorgen - vor allem mit Naturalien.
Die Kirche ist Teil dieses Systems. "Die Kirche kriegte ja den Zehnten, aller Einkünfte zehnten Teil. Man lieferte das aber in Naturalien. Und das Zehnthaus ist das Haus, wo man das sammelt", sagt der Historiker Gerd Althoff. Hinzu kommen die Abgaben an den Grafen, den Grundherrn. Wer etwas gelten will in der Mittelalter-Gesellschaft, der braucht solche Einkunftsquellen. Ämter, Grund und Boden, Leibeigene. Das ist die Währung, die zählt.
Ein Gesetz als Ausnahme
Es ist Kaiser Konrad II., der 1037 das Lehensgesetz erlässt. Die Begründung klingt harmlos: "Um die Herren und die Vasallen miteinander zu versöhnen." Doch tatsächlich profitierten die Vasallen. Ihre Herren dürfen ihnen die Lehen nicht mehr
wegnehmen. Es sollte "kein Vasall sein Lehn verlieren, außer nach einem ordentlichen Urteilsspruch seiner Standesgenossen". Damit schwächt der Kaiser die Oberschicht der katholischen Bischöfe.
Das Lehensgesetz von Konrad II. ist weit und breit der einzige Gesetzestext dieser Art im
Hochmittelalter. Fast alles ist ansonsten nach den Sitten und Gebräuchen entschieden.
Im Kern bedeutet das Lehensrecht weiter ein Leben in dauerhafter Abhängigkeit - und das in einer relativ statischen Gesellschaft ohne große Entfaltungsmöglichkeiten. Das Lehnsrecht ist heute natürlich abgeschafft, aber noch nicht allzu lange. Die leibeigenen Bauern in Westfalen wurden zum Beispiel erst um 1850 frei. Und sie mussten für ihre Freiheit noch an den Grundherrn zahlen.
Autor des Hörfunkbeitrags: Heiner Wember
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 28. Mai 2022 an das Lehensgesetz. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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