Er bezichtigt seine Ärztekollegen der "Helden-Chirurgie" und nennt die gängigen Krebstherapien "Verstümmelungs-Strategie". Das traditionelle Arzt-Patienten-Verhältnis vergleicht er mit der Beziehung eines Herren zu seinem Knecht und er setzt sich für Sterbehilfe ein. Der Arzt Julius Hackethal eckt an. Immer wieder sucht er die Auseinandersetzung mit der aus seiner Sicht selbstgefälligen Schulmedizin und ihren angeblich überheblichen Protagonisten: den Ärztinnen und Ärzten.
Am 6. November 1921 kommt Karl Heinrich Julius Hackethal auf einem Bauernhof im thüringischen Eichsfeld zur Welt. Zu seinem strengen Vater hat er kein gutes Verhältnis, seine Mutter liebt er umso mehr. Sie möchte, dass er Landarzt wird, und vermittelt ihm ein Medizinstudium in Berlin. Bevor die Amerikaner nach dem Krieg einmarschieren, besorgt sich Hackethal 1945 durch Bestechung die Not-Approbation.
Erlanger Professorenstreit
Nach weiteren Fortbildungen wird er 1962 Professor am Uniklinikum Erlangen - ein Jahr später der erste Eklat: Er wirft seinem Vorgesetzten 138 Kunstfehler vor, die Hälfte davon mit tödlichem Ausgang. Nur aus Ehrsucht habe dieser mit zweifelhaften Methoden und ohne Rücksicht auf Verluste behandelt, so Hackethal. Der Professorenstreit geht zwar in die Medizingeschichte ein, aber für den Ankläger nicht gut aus: Das Gericht weist die Vorwürfe ab, Hackethal erhält eine einstweilige Verfügung. Das Ende seiner Hochschulkarriere.
Er wird Assistenzarzt im Städtischen Krankenhaus Lauenburg, arbeitet sich aber zum Chefarzt hoch - und kritisiert weiter: In seinen Büchern "Auf Messers Schneide" (1976) und "Nachoperationen" (1977) beschreibt er drastisch seine Erfahrungen mit der Schulmedizin. Vor allem die rigorose Behandlung von Krebs findet Hackethal unerträglich. Für ihn gibt es den "Raubtier-" und den "Haustierkrebs". Letzterer sei gutartig und man könne mit ihm alt werden, ohne ihn radikal zu behandeln.
Sterbehilfe vor der Kamera
Kollegen beschimpfen ihn als Nestbeschmutzer und Selbstdarsteller. Hackethal betont, dass es ihm vor allem um das Recht der Patienten auf Selbstbestimmung gehe. So tritt er vehement für eine aktive Sterbehilfe ein, was 1983 im spektakulären Fall der Hermine Eckert gipfelt: Vor laufender Kamera überlässt er der durch Gesichtskrebs entstellten Frau eine Ampulle Zyankali. Sie bestätigt, dass sie sterben möchte, und schluckt das tödliche Gift.
Die Bundesärztekammer läuft Sturm. Hackethal wird angeklagt, aber nicht verurteilt, weil die Frau die Giftkapsel nachweislich selbst genommen hat. So sorgt er aber auch für eine öffentliche Diskussion und eine langsame Änderung der gesellschaftlichen Einstellung zu diesem Thema. Auch die inzwischen differenziertere Behandlung von Krebs geht zum Teil auf ihn zurück. Hackethal stirbt 1997 an Lungenkrebs.
Autorinnen des Hörfunkbeitrags: Anja und Doris Arp
Redaktion: Ronald Feisel
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