Ein renommierter, altehrwürdiger Chor und ein hochbegabter Komponist finden 1723 zueinander und aus dem Leipziger Thomanerchor wird auch dank Johann Sebastian Bach eine Institution von Weltruf. Vor Bach wirkten 16 Kantoren an der Thomaskirche. Ihre Aufgabe ist es, die Jungen des 1212 gegründeten Chors zu unterrichten, mit ihnen unter einem Dach zu leben - und geistliche Musik zu komponieren.
Pflicht des Thomaskantors: Unterweisung und Züchtigung
So zieht Johann Sebastian Bach mit seiner großen Familie im Mai 1723 in das Schulhaus neben der Thomaskirche. Zuvor hatte er am 5. Mai seinen Dienstvertrag unterschrieben. Darin verpflichtet er sich, die Knaben in Vokal und Instrumentalmusik "fleißig zu unterweisen", sie "freundlich zu traktieren", aber auch die nicht Folgsamen "moderat zu züchtigen". Und um die Stadt, die damals ein geistiges Zentrum war und als "Klein-Paris" bezeichnet wurde, zu verlassen, brauchte er eine Erlaubnis des Bürgermeisters.
Neue Epoche für Leipzig und Bach
Mit Bach beginnt nicht nur für das Leipziger Musikleben eine neue Epoche - sondern auch das Werk des Komponisten erhält eine entscheidende Wendung: Während er bislang Instrumentalwerke schuf, schreibt er als Thomaskantor die großen Chorwerke. Er entwickelt die Kantate aus dem ursprünglich italienischen Sologesang zur wichtigsten Gattung der evangelischen Kirchenmusik.
Nebenerwerb mit weltlicher Musik
So berühmt Chor und Kantor auch sind - finanziell auskömmlich ist die Stelle für Bach nicht. Darum übernimmt er 1729 zusätzlich die Leitung des Leipziger Collegium Musicum, das einst von Telemann gegründet worden war. Mit dem studentischen Ensemble tritt er im legendären Café Zimmermann vor einem meist bürgerlichen Publikum auf. Für diese Zwecke komponiert Bach weltliche Stücke, wie die humoristische "Kaffeekantate" mit der berühmten Arie "Ei! wie schmeckt der Coffee süße".
Musik als christliche Meditation
Bis zu seinem Tod am 28. Juli 1750 in Leipzig bleibt Bach Thomaskantor. Heute steht sein Werk im Mittelpunkt der Aufführungen des Thomanerchores, der durch die wechselhaften Zeiten des 20. Jahrhunderts hindurch seinen christlich-spirituellen Kern bewahrt hat.
Auch Bach war von einer tiefen Frömmigkeit geprägt. In seiner Bibel notierte er einst von Hand: "Bey einer andächtigen Musique ist allzeit Gott mit seiner Gnadengegenwart."
Autorin des Hörfunkbeitrags: Hildburg Heider
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. Mai 2023 an Johann Sebastian Bach. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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