24. Januar 1848 - US-Zahnarzt und Narkose-Pionier Horace Wells stirbt in New York

Wie lassen sich Schmerzen bei Operationen bekämpfen? Der US-Zahnarzt Horace Wells probiert es mit Lachgas - und wird zum Anästhesie-Pionier. Doch seine Entdeckung macht ihn nicht glücklich.

US-Bundesstaat Connecticut, Dezember 1844: In der Festhalle der Kleinstadt Hartford findet eine Varieté-Show statt, bei der die Besucherinnen und Besucher zur Belustigung Lachgas einatmen können. "40 Gallonen dieses Gases stehen bereit", hat ein Inserat in der Lokalzeitung angekündigt. Im Publikum sitzt auch der Zahnarzt Horace Wells, der im Ort eine gut gehende Praxis betreibt.

Ein Showmaster verteilt lederne Beutel, die mit Lachgas gefüllt sind. Es wird viel gekichert und gelacht. Aber es kommt auch zu einem Unfall: Wells beobachtet, wie ein Kaufmann, der das Gas inhaliert hat, schwer stürzt und sich das Schienbein aufschlägt. Der Mann blutet, verspürt aber offenbar keinen Schmerz. Das bringt den Zahnarzt auf eine Idee.

Horace Wells, Pionier der Anästhesie (Todestag, 24.01.1848) WDR ZeitZeichen 24.01.2023 14:55 Min. Verfügbar bis 24.01.2099 WDR 5

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Erfolge in der eigenen Praxis

Bereits am folgenden Tag startet Wells in seiner Praxis einen Selbstversuch, um die narkotisierende Wirkung von Lachgas auszuprobieren. Der 29-Jährige lässt sich von einem Kollegen einen Weisheitszahn ziehen, der ihn schon länger plagt. Anschließend stellt er begeistert fest: "Ich habe nicht mehr gespürt, als wenn mich eine Nadel gestochen hätte."

Fortan betäubt der Zahnarzt seine Patienten mit dem farb- und geruchlosen, leicht süßlich schmeckenden Gas. Unter Medizinern gibt es allerdings seit Langem grundsätzliche Vorbehalte gegen die Anästhesie. Bei Opiaten fürchten sie zum Beispiel Nebenwirkungen und Überdosierungen. Noch 1839 sagt der französische Arzt und Operateur Alfred Armand Velpeau: "Den Operationsschmerz zu vermeiden ist eine Chimäre, die man heutzutage nicht mehr verfolgen darf."

Gescheiterte Vorführung

Wells muss darum betteln, der wissenschaftlichen Welt seine wegweisende Entdeckung demonstrieren zu dürfen. Der bekannte Chirurg John Collin Warren in Boston willigt schließlich ein. Im Januar 1845 bekommt Wells die Chance, sich vor Studenten und Kollegen öffentlich zu beweisen. Doch die Zahnextraktion unter einer Lachgas-Narkose misslingt: Die Dosis ist zu gering. Der Patient brüllt vor Schmerz, das Publikum buht.

Der Ruf von Wells ist in der Fachwelt zerstört. Er leidet unter Depressionen und gibt seine Praxis in Hartford auf. Ausgerechnet sein früherer Kompagnon, der Zahnarzt William Thomas Morton, macht ihm den erhofften Ruhm als Erfinder der Inhalationsnarkose streitig. Mit der Unterstützung des Chemikers Charles Thomas Jackson konstruiert Morton einen Glaskolben, aus dem die Patienten ein betäubendes Gemisch aus Äther und Raumluft einatmen. Dieses System lässt Morton patentieren.

Missbrauch von Betäubungsmitteln

Wells ist frustriert. In der Fachzeitschrift "Boston Medical and Surgical Journal" versucht er, sich zu rehabilitieren. Er habe die Entdeckung als erster gemacht und sich gegen die Verwendung von Äther entschieden: "Aber ich bevorzugte Lachgas, weil es sich besser inhalieren lässt und seltener Zwischenfälle auftreten." Es sei "wirklich unglaublich, mit welcher Penetranz Dr. Jackson und Dr. Morton auf der Priorität der Entdeckung bestehen".

Wells zieht ohne seine Familie 1847 nach New York, wo er weitere Selbstversuche durchführt. Dafür konsumiert er Lachgas, Äther und Chloroform. Die Betäubungsmittel zerrütten schließlich seinen Körper und seinen Geist. An seinem 33. Geburtstag eskaliert die Situation. Völlig verwirrt läuft er über den Broadway und bespritzt zwei Prostituierte mit Schwefelsäure.

Pioniertat nach dem Tod geehrt

Die Tat begeht Wells unter Einfluss einer Überdosis Chloroform, von dem er mittlerweile abhängig ist. Die Polizei steckt ihn in eine Gefängniszelle. Dort schreibt Horace Wells am 24. Januar 1848 ein Abschiedsbrief an seine Familie. Danach begeht er Suizid. Er ahnt nicht, dass die Pariser Medizinische Gesellschaft wenige Tage zuvor seine Leistung bei der Entdeckung der Inhalationsnarkose gewürdigt und ihn zum Ehrenmitglied ernannt hat.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Steffi Tenhaven
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 24. Januar 2023 an Horace Wells. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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