Mai 1940: Die Wehrmacht überfällt Frankreich und besetzt den Norden des Landes. Das sorgt für Widerstand in der Bevölkerung. Weil eine Französin einigen Menschen zur Flucht in den unbesetzten Teil Frankreichs verhilft, wird sie von einem deutschen Militärgericht zum Tode verurteilt.
Doch Adolf Hitler stoppt die Hinrichtung, er will keine Märtyrerin schaffen. Die Widerstandskämpferin wird heimlich nach Deutschland gebracht. Das spurlose Verschwinden soll auf die Französinnen und Franzosen abschreckend wirken.
Neue Strategie
Hitler macht daraus eine neue Strategie. Denn seit dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion nimmt der Widerstand in den besetzten Gebieten in West- und Nordeuropa zu. Nach dem Bruch des Hitler-Stalin-Paktes sind vor allem in Frankreich verstärkt Kommunisten aktiv.
"Richtlinien für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten" heißt der Erlass, den Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, am 7. Dezember 1941 aus Hitlers mündlichen Befehlen formulieren lässt. Im Behördendeutsch ist kurz von der "NN-Sache" oder dem "Nacht- und Nebel-Erlass" die Rede.
Geheime Sonderlager
Aus Frankreich, den Beneluxländern und Norwegen werden fortan verhaftete NS-Gegner nach Deutschland transportiert. Wer nicht hingerichtet wird, kommt in ein geheimes Sonderlager - wie etwa das Lager Esterwegen-Süd im Emsland.
Eigentlich will Hitler die Angelegenheit Heinrich Himmlers SS übertragen. Aber Keitel kann den "Führer" zugunsten der Wehrmacht umstimmen. In Absprache mit dem Justizministerium täuscht die Wehrmacht rechtsstaatliche Verfahren vor. Doch das Geheim-System ist ineffizient.
Als "Terrormaßnahme" verurteilt
Die militärischen Sondergerichte und die Ziviljustiz, die ebenfalls NN-Prozesse führt, kommen nicht hinterher. Als die Wehrmacht auf dem Rückzug ist, entzieht ihr Hitler im Herbst 1944 die Zuständigkeit. Die Häftlinge werden der SS überstellt und in Konzentrationslager verlegt.
Insgesamt verschwinden knapp 7.000 Menschen. Der Erlass spielt in den Nürnberger Prozessen eine große Rolle. "Diese Geheimhaltung der Verfahren war eine besonders abscheuliche Form einer Terrormaßnahme", heißt es im Urteil des Nürnberger Juristenprozesses.
Dennoch wenden in den 1970er-Jahren Diktaturen wie Chile, Uruguay und Argentinien die Nazi-Methode an. 1980 ächtet die UNO diese Praxis. Doch geheime Gefängnisse, in denen Beschuldigte spurlos verschwinden, gibt es bis heute - weltweit.
Autor des Hörfunkbeitrags: Thomas Pfaff
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 7. Dezember 2021 an Hitlers "Nacht-und-Nebel-Erlass". Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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