Die schwarze Tabakarbeiterin Henrietta Lacks wächst in den 1920er Jahren im US-Bundesstaat Virginia auf - auf derselben Farm, auf der ihre Vorfahren Sklaven waren. Später zieht sie mit ihrer Familie nach Baltimore. Kurz nach ihrem 30. Geburtstag hat die lebensfrohe Frau plötzlich das Gefühl, dass in ihrem Unterleib etwas nicht in Ordnung ist.
Ihr Ehemann bringt Henrietta Lacks ins Johns Hopkins Hospital. Es ist die einzige Klinik in der Umgebung, die farbige Patienten behandelt, wenn auch nur in abgetrennten Räumen. Die sogenannte Rassentrennung bestimmt auch den Alltag im Krankenhaus, sogar Leichen und Blutproben werden separat gelagert.
Schnelle Zellteilung der Turmorzellen
Der Arzt diagnostiziert einen Tumor am Gebärmutterhals. Zwar hat er schon viele Zervixkarzinome gesehen, aber dieser scheint ihm außergewöhnlich: glänzend, dunkelrot, so empfindlich, dass es bei der geringsten Berührung zu bluten beginnt. Er schneidet eine Probe heraus – ohne es Henrietta Lacks zu sagen – und schickt diese Dr. George Gey.
Der Forschungsleiter für Gewebekultur am Hopkins versucht schon lange, Zellkulturen aus menschlichem Gewebe zu züchten - vergeblich. Die Proben sterben ihm immer unter den Händen weg. Nur Henrietta Lacks' Krebszellen leben in der Nährlösung weiter, vermehren sich Tag für Tag in rasender Geschwindigkeit. Gey ist begeistert.
Früher Tod mit 31 Jahren
Nur wenige Etagen und Flure entfernt zerstören die Krebszellen ebenfalls mit rasender Geschwindigkeit Henrietta Lacks' Körper. Die 31-Jährige stirbt am 4. Oktober 1951. Ihre HeLa-Zellen, benannt nach dem laborüblichen Kürzel aus den Anfangsbuchstaben des Vor- und Nachnamens, werden über ihren Tod hinaus im Labor vermehrt und bald schon weltweit vermarktet.
"Sie wurden genutzt, um die Impfung gegen Polio zu entwickeln, man schickte sie mit der ersten Weltraummission ins All", erzählt Rebecca Skloot. Die amerikanische Wissenschaftsjournalistin hat die Geschichte von Henrietta Lacks aufgeschrieben und bekannt gemacht. HeLa sind die ersten geklonten Zellen, es sind eine der ersten mit einer Genkarte. Auch die HPV-Impfung geht auf Lacks Zellen zurück sowie weitere Meilensteine der modernen Medizin.
Stiftung für die Angehörigen von Henrietta Lacks
Die Angehörigen von Henrietta Lacks erfahren erst in den 1980er Jahren, dass die Zellen ihrer Mutter als Ware gehandelt werden und sich daraus eine milliardenschwere Industrie entwickelt hat. Die fünf Kinder, alle schwerhörig oder taub, können sich indes weder eine Krankenversicherung leisten noch zum Arzt gehen.
Rebecco Skloot gründet mit dem Geld aus ihrem Buchverkauf eine Stiftung, die Stipendien an Henrietta Lacks' Familie vergibt: "Es ist wichtig, sich immer wieder beides vor Augen zu halten: Die Geschichte des Spenders und was durch die Spende entstehen konnte."
Autorin des Hörfunkbeitrags: Martina Meißner
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 4. Oktober 2021 an Henrietta Lacks. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 05.10.2021: Vor 100 Jahren: In London wird der PEN Club gegründet