Mobbing - das Wort klingt weich, fast freundlich. Doch das täuscht. Es kommt vom englischen Verb "to mob" und steht für "anpöbeln, schikanieren, drangsalieren". Ursprünglich wird der Begriff vom Verhaltensforscher Konrad Lorenz für aggressives Rudelverhalten von Tieren verwendet. Er bezeichnet damit Gruppenangriffe auf einen Fressfeind.
Zu Beginn der 1980er-Jahre beschäftigt sich der Psychologe Heinz Leymann als erster Wissenschaftler mit Mobbing in der Arbeitswelt. Er entwickelt einen Katalog von 45 möglichen Mobbinghandlungen. Damit kann analysiert werden, ob ein Mobbingfall vorliegt oder nicht. Zu diesen Handlungen gehören das Verbreiten von Gerüchten, verbale Drohungen oder körperliche Misshandlung.
Karriere in Schweden
"Man muss versuchen, dieses Phänomen Mobbing abzugrenzen von zufälligen Konflikten oder Unverschämtheiten", sagt Leymann. "Was Mobbing zum Mobbing-Phänomen macht, ist die Zeit." Die Erniedrigungen müssten mindestens einmal pro Woche vorkommen und mehr als ein halbes Jahr anhalten. "Dann hat man eine Situation, die sich von anderen Konfliktsituationen unterscheidet."
Geboren wird Heinz Leymann am 17. Juli 1932 im niedersächsischen Wolfenbüttel. Über seinen Werdegang und sein Privatleben ist wenig bekannt. Mitte der 1950er-Jahre geht er nach Schweden. Der Betriebswirt promoviert dort in Arbeitspsychologie. Von 1992 bis zu seinem Tod 1999 hat er in Stockholm einen Lehrstuhl für Arbeitswissenschaften. Er ist auch Chef einer Spezialklinik für Mobbingopfer in Karlskrona.
Massive psychische Folgen
Leymanns Buch "Mobbing - Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann" ist bis heute ein Standardwerk. Ihm ist es wichtig zu erklären, warum bei Mobbing teilweise massive psychische Folgen wie Angststörungen oder Persönlichkeitsstörungen auftreten.
Bei einer Anhörung im Bundestag fasst der Arbeitspsychologe Dieter Zapf 2020 Leymanns Erkenntnis zur Ursache so zusammen:
Aushandeln der Wirklichkeit
Für Leymann sind die Fronten klar - hier das Opfer, dort der oder die Angreifer. Institutionen mit starken Hierarchien wie Firmen, Heime, Militär, Schulen und Krankenhäuser sind besonders anfällig für Mobbingkonstellationen. Doch selbst böse Intrigen im Büro oder im Klassenraum lassen oft noch Spielräume, die Situation zu ändern.
Die Systemtherapeutin Anke Lingnau-Carduck rät ihren Klienten häufig zu einem neuen Blick auf das Ganze. Die Wirklichkeit, so definiert es die Systemtheorie, ist keine absolute Wahrheit, sondern ein Gebäude mit flexiblen Wänden, an dem wir alle herumbauen. Was jeweils gelten soll, werde immer wieder zwischen Menschen ausgehandelt - auch zwischen Betroffenen und Aggressoren.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Doris Arp
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 17. Juli 2022 an Heinz Leymann. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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