"Es war noch kein Tag, an dem ich nicht unglücklich war." Obwohl er umschwärmt wird, vergleicht sich der Künstler Gustav Klimt mit einem herrenlosen, hungernden Hund. "Ich bin seit Jahren ein namenlos unglücklicher Mensch, man sieht es mir nicht an, man glaubt das Gegenteil, ja man beneidet mich sogar."
Die Selbstwahrnehmung des Malers passt so gar nicht zu seinen Werken, die Sinnlichkeit und Kraft ausstrahlen: Goldtöne, leuchtende Farben, Ornamente. Doch Klimt zweifelt an seiner Arbeit, sagt der Kunsthistoriker Tobias Natter. Der Künstler habe an seinen Bildern gefeilt. Auch wenn sie bereits in einer Ausstellung hingen, habe er sie zurückgeholt, um noch etwas zu ändern. Es sei ein "Ringen um den gültigen Ausdruck" gewesen.
Präsident der Wiener Secession
Der am 14. Juli 1862 bei Wien geborene Gustav Klimt zeigt schon früh sein Talent. Mit 13 Jahren besteht er die Aufnahmeprüfung an der Kunstgewerbeschule. Er wird Meisterschüler und studiert weiter. Zusammen mit seinem Bruder Ernst und dem Freund Franz Matsch bezieht er ein Atelier. Die drei machen sich als "Künstler-Compagnie" einen Namen.
Gustav Klimt stattet in verschiedenen Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie Theaterbauten mit Wand- und Deckengemälden aus. Dazu gehören in Wien auch die Stiegenhäuser des Burgtheaters und des Kunsthistorischen Museums. Klimt wird Mitgründer und erster Präsident der Wiener Künstlervereinigung Secession, die für zeitgenössische Kunst eintritt.
Ablehnung aus dem Parlament
Klimt entfernt sich immer mehr von der traditionellen Malweise der Akademien und sucht seinen eigenen Stil. Doch der gefällt nicht allen: Als er für die Universität Wien die symbolhaften Fakultätsbilder "Philosophie", "Medizin" und "Jurisprudenz" anfertigt, wird sogar im Parlament darüber gestritten. Danach nimmt Klimt keine öffentlichen Aufträge mehr an und malt hauptsächlich Landschaften und Porträts.
Sein Lieblingssujet sind Frauen. Sie stehen ihm auch unbekleidet Modell. Sein Atelier wird zum Stadtgespräch. Man munkelt, Klimt sei unter seinem Arbeitskittel nackt. Er ist unverheiratet und hat Affären. Sechs Mal wird er Vater. Mit seiner Lebensgefährtin, der Modeschöpferin Emilie Flöge, verbindet ihn eine platonische Beziehung.
Populär beim gehobenen Bürgertum
Obwohl der Maler die Öffentlichkeit meidet und als scheu gilt, ist er populär. Seine Geschäfte laufen gut. 20.000 Kronen kostet es die Herren des gehobenen Bürgertums, ihre Gattinnen von ihm porträtieren zu lassen - fast so viel wie eine halbe Villa.
In der deutschsprachigen Kunstkritik hingegen wird Klimts Werk zunächst teilweise ignoriert oder als Dekorationsmalerei abgetan. Als Klimt am 6. Februar 1918 in Wien nach einem Schlaganfall stirbt, ist nicht absehbar, dass seine Malerei später weltweit Begeisterung auslöst.
Autorin und Autor des Hörfunkbeitrags: Veronika Bock und Ulrich Biermann
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. Juli 2022 an Gustav Klimt. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 15.07.2022: Vor 25 Jahren: Slobodan Milošević wird Staatspräsident der Bundesrepublik Jugoslawien