17. Dezember 1972 - Der deutsche Chirurg Gerhard Küntscher stirbt in Glücksburg

Als der Arzt Gerhard Küntscher am 17. Dezember 1972 stirbt, ist er weltbekannt. Mehr als 30 Jahre zuvor beginnt er, mit Hammer und Nagel die Unfallchirurgie zu revolutionieren.

Der gebürtige Sachse, ein Fabrikantensohn aus Zwickau, experimentiert zunächst an Hunden. Der erste Patient für eine Marknagelung landet 1939 auf seinem OP-Tisch in der Kieler Universitätsklinik.

Gerhard Küntscher, Chirurg (Todestag, 17.12.1972) WDR ZeitZeichen 17.12.2022 14:51 Min. Verfügbar bis 17.12.2099 WDR 5

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Es ist ein Werftmitarbeiter, der ins Trockendock stürzt und sich hierbei mehrere Knochen bricht. Küntscher setzt auf Stabilisation, einem seit der Antike bekannten Prinzip, wie er selbst stets betont.

Patent auf die "Innenschiene für Röhrenknochen"

Noch im selben Jahr seiner Marknagelung-Premiere beim Menschen lässt sich der Mediziner seine "Innenschiene für Röhrenknochen" patentieren. Gerhard Küntscher ist ein leidenschaftlicher Tüftler.

Alles andere als ein Dünnbrettbohrer

Der Chirurg Küntscher bohrt nicht nur mutig durch Mark und Bein, sondern auch in seinem Fachgebiet sprichwörtlich dicke Bretter.

Als er 1940 seine Marknagelung auf einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie vorstellt, wird er von seinen Kollegen verspottet.

Vorteile der Marknagelung überwiegen die Risiken

Der Markraum mit seinem empfindlichen Gewebe gilt in der Medizingeschichte lange Zeit als unantastbar. Küntschers Kritiker fürchten Komplikationen, vor allem Entzündungen.

Doch die Vorteile überwiegen. Statt wochenlang das Bett zu hüten und mit einem Gips durch die Gegend zu humpeln, sind Patienten nach einer Marknagelung recht früh wieder mobil.

Gesunde Gelenke, die in langen Ruhephasen versteifen würden, bleiben auf diese Weise beweglich; Muskelmasse, die im konventionellen Gips schwindet, bleibt erhalten. Mehr noch: Die Marknagelung kann die Heilung eines gebrochenen Knochens befördern.

Arzt für Freund und Feind im Krieg

Gerhard Küntscher arbeitet besessen daran, neue Operationsmethoden zu entwickeln – inklusive der benötigten Instrumente. Auch der Zweite Weltkrieg vermehrt die Zahl der Patienten.

Küntscher, der als ein von Beginn an begeisterter Nationalsozialist beschrieben wird, operiert unter anderem als Stabsarzt verwundete deutsche Soldaten an der Front.

Auch ausländischen Kriegsgefangenen zimmert er die gebrochenen Glieder zusammen. Nach dem Krieg wird er 1957 als Ärztlicher Direktor an das große Hamburger Hafenkrankenhaus berufen.

Tüftler und Entwickler

Küntscher tüftelt weiter und entwickelt eine Knocheninnensäge.

Ein kleiner Stich wird gemacht und von diesem kleinen Hautschnitt aus kommen wir unter Benutzung eines Röntgenfernsehers […] in die Markhöhle hinein, in die Markhöhle führen wir nun nicht zunächst den Nagel, sondern eine kleine, sehr rasch laufende Kreissäge. Gerhard Küntscher

Marknägel als tägliches Handwerkszeug

Küntschers Arbeit erfährt zunächst im Ausland mehr Aufmerksamkeit als in seiner deutschen Heimat. Ärzte aus aller Welt reisen an, um dem Meister der Marknagelung am OP-Tisch über die Schulter zu schauen.

Heute gehören Marknägel zum täglichen Handwerkszeug der Chirurgen, die damit vornehmlich Opfer von Verkehrs-und Sportunfällen versorgen.

Verheiratet mit dem Beruf

Gerhard Küntschers Können zieht weltweit Kreise. Auch privat benimmt der Spezialist für Knochenbrüche sich Anekdoten zufolge speziell.

Im Winter soll er sich ein Eisloch in die Flensburger Förde gehackt haben, um ein Bad zu nehmen.

Seinen knallroten und kostspieligen Sportwagen fährt er stets offen; der Beifahrersitz bleibt leer. Verheiratet ist Küntscher mit seinem Beruf.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Steffi Tenhaven
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 17. Dezember 2022 an den Chirurgen Gerhard Küntscher. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

ZeitZeichen am 18.12.2022: Vor 130 Jahren: Uraufführung von Peter Tschaikowskys "Der Nussknacker".