Alltägliche Szenen, erzählt ohne Worte, in wenigen Bildern, mit einfachem, klarem Strich - das sind die Geschichten von "Vater und Sohn". Sie sind so prall gefüllt mit Liebe, Humor und geistreichen Pointen, dass sie auch 89 Jahre nach ihrem ersten Erscheinen ein verzaubertes Publikum finden.
Die Nazi-Karikaturen
Vater und Sohn sind zwei Antihelden, die ihre eigenen überraschenden Wege zum Lebensglück finden - in einer normierten Nazi-Welt des Gleichschritts. Erich Ohser sagt dazu: "Es war mehr gegen das allgemeine Spießertum, das Beamtentum. Das kann man natürlich auch politisch nehmen." Man kann, muss aber nicht.
Im Gegensatz zu seinen bissigen Karikaturen gegen die Nationalsozialisten, die er im SPD-Blatt "Vorwärts" veröffentlichte. Werke wie "Dienst am Volk" von 1931 - ein Herr mit Spazierstock pinkelt ein Hakenkreuz in den Schnee - sind ebenso unmissverständlich wie beliebt.
Das Berufsverbot
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten - sie verbrennen 1933 auch Bücher mit Ohser-Illustrationen - kann der Zeichner nicht mehr publizieren. Doch 1934 erhält er ein Angebot, eine Serie für die "Berliner Illustrirte Zeitung" zu machen. Ohser schlägt der Redaktion "Vater und Sohn" vor. Es heißt, dass sie auch Reichspropagandaminister Goebbels vorgelegt worden seien, der gelacht habe.
So kann der Zeichner ab 1934 wieder veröffentlichen. "Vater und Sohn" erscheinen unter dem Pseudonym "e.o. plauen". Das sind die Initialen des Künstlers, ergänzt um seine Heimatstadt Plauen, in der er aufgewachsen ist. Geboren wurde Ohser am 18. März 1903 in Untergettengrün im sächsischen Vogtland.
Zu seinem berühmtesten Werk wird Ohser durch das eigene Familienleben inspiriert: Pate des rundlichen, schnauzbärtigen Vaters sei eine Kombination aus ihm, seinem Vater und seinem Großvater gewesen, erzählt er. Und hinter dem Lausbuben steckt Ohsers Sohn Christian.
Die Denunziation
Die Nationalsozialisten spannen den begabten Zeichner aber auch für ihre Propaganda ein: "Na, und dann rief mich der Krieg 'zu den Waffen', die wir Pressezeichner uns geschmiedet haben", erklärt Ohser und liefert rund 800 politische Karikaturen. Sie verunglimpfen unter anderem Churchill und Roosevelt.
Zu Hause lästert der schwerhörige Ohser hingegen laut und ungehemmt über die Nazis. 1944 wird er von einem Nachbarn denunziert und verhaftet. Einen Tag vor seinem Prozess am Volksgerichtshof unter dem berüchtigten Strafrichter Roland Freisler flüchtet sich Ohser am 6. April 1944 in den Freitod - und entgeht so der Hinrichtung durch die Nazis.
Im Abschiedsbrief bittet der 41-Jährige seine Frau mit Blick auf ihren gemeinsamen Sohn: "Mach' aus ihm einen Menschen; ich gehe mit glücklichem Lächeln."
Autorin des Hörfunkbeitrags: Christiane Kopka
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 18. März 2023 an Erich Ohser. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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