30. September 1897 - Geburtstag der Sexualwissenschaftlerin und Schriftstellerin Charlotte Wolff
Als Jüdin war sie auf der Flucht vor den Nazis. Als Ärztin und Sexualwissenschaftlerin hat sie Pionierinnen-Arbeit mit Forschungen zur Homo- und Bisexualität geleistet. Charlotte Wolff war davon überzeugt, dass man Menschen liebt - und nicht Männer oder Frauen.
"Jeder Mensch ist eine Entdeckung. Das ist wie ein neuer Planet." Mit dieser offenen Neugier begegnet Charlotte Wolff auch den Patientinnen in ihrer psychiatrischen Praxis. Stets davon überzeugt, "dass man Menschen als Menschen und nicht als Kranke sehen soll". Heilung bringe nur die Liebe.
Hochbegabt und anders
Am 30. September 1897 wird Charlotte im westpreußischen Riesenburg, heute Prabuty, in eine jüdische Kaufmannsfamilie geboren. In der Schule bleibt sie lange Zeit ohne Freundinnen. "Nicht weil ich jüdisch war", sagt Wolff später, aber als Hochbegabte hatte sie andere Interessen. Bereits zu Schulzeiten hat sie ihre erste lesbische Beziehung. Zeitlebens fühlt sich Charlotte Wolff als Außenseiterin: "Es interessiert mich alles, das anders ist. Und wahrscheinlich, weil ich anders bin."
Flucht vor den Nazis
Wolff studiert in Freiburg und Berlin Medizin und Philosophie und arbeitet danach als Ärztin. Nebenher schreibt sie Gedichte, stürzt sich in das Berliner Nachtleben. Bereits 1932, ein Jahr vor der Machtergreifung der Nazis, trennt sich ihre Freundin Katherine nach neun Jahren Beziehung von ihr. Ihr Vater hatte sie vor der Verbindung zur Jüdin gewarnt.
Im Februar 1933 verliert Wolff ihre Arbeit, wird sogar kurzzeitig verhaftet. Ihre Männerkleidung hatte sie die Aufmerksamkeit der Gestapo erregt. Im Mai 1933 flieht Charlotte Wolff nach Paris.
Die Utopie einer "bisexuellen Gesellschaft"
Ohne Arbeitserlaubnis verdient sie nun ihren Unterhalt, indem sie der High Society aus der Hand liest. Wolff befasste sich wissenschaftlich mit der Chirologie. Sie deutet die Hände von Maurice Ravel, Max Ernst und Salvadore Dali. Als die Nazis näher rücken, geht Wolff nach London - wo sie auch nach dem Kriegsende bleibt.
1971 erscheint ihre Pionierinnen-Studie zur weiblichen Homosexualität. Danach wendet sich Wolff der Erforschung der Bisexualität zu, fest davon überzeugt, "dass man in Wirklichkeit Menschen liebt, ob es nun Männer oder Frauen sind". In ihrer Utopie einer "bisexuellen Gesellschaft" werden Rollenklischees überwunden. Kurz vor ihrem 89. Geburtstag stirbt Wolff am 12. September 1986 in London. Ihr Roman "Flickwerk" und ihre Autobiografie "Augenblicke verändern uns mehr als die Zeit" sind heute nur noch antiquarisch erhältlich.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Christiane Kopka
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. September 1922 an den Geburtstag der Sexualwissenschaftlerin Charlotte Wolff. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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