Bertolt Brecht und Caspar Neher lernen sich am Augsburger Realgymasium kennen. Der am 11. April 1897 geborene Neher illustriert, was die anderen in der gemeinsamen Clique schreiben und singen. Mit den Bildern und Skizzen tapeziert Brecht seine Mansarden-Wände.
Der schmächtige, temperamentvolle "Bert" und der große, besonnene "Cas" werden beste Freunde. "Es ist ja wirklich eine heftige Freundschaft", sagt Erdmut Wizisla, Leiter des Brecht-Archivs. "Ich würde sagen, dass das eine Liebe gewesen ist, ohne damit irgendwas unterstellen zu wollen."
Brechts Briefe an die Front
Am Anfang spielt sich diese Liebe in Briefen ab. Für Wizisla gehören sie zu den Kostbarkeiten des Brecht-Archivs. Sie dokumentieren das besondere Verhältnis der jungen Männer, trotz vieler Unterschiede. So versteht Brecht nicht, warum Neher freiwillig in den Ersten Weltkrieg zieht.
Casper Neher stirbt glücklicherweise nicht an der Front. Er wird nur verschüttet und nach Kriegsende gehen Brecht und Neher gemeinsam zum Studium nach München. Neher malt die Szenen, die sein Freund schreibt. Gemeinsam revolutionieren sie das Theater, das mitten im Expressionismus vor allem bunte, grelle und emotionale Inszenierungen auf die Bühne bringt.
Die Entwürfe Nehers sind hingegen schlicht, sachlich in gedeckten Tönen. "Was nicht mitspielt, hat auf der Bühne nichts zu suchen." So einer seiner Grundsätze. Er verzichtet auf Dekorationen wie Vasen, Kerzen, Geschirr – nichts soll ablenken.
Theater ohne Illusionen
Damit dem Publikum nichts verborgen bleibt, wird die Bühne nur von einem halben Vorhang bedeckt: Die sogenannte "Brecht-Gardine" – wobei Brecht selbst von "Neher-Vorhang" spricht – soll die Bühne desillusionieren. Der Zuschauer beurteilt das Geschehen aus der Distanz selbst.
1924 geht Brecht nach Berlin und lässt Neher nachkommen. Es wird die intensivste Zeit ihrer Zusammenarbeit. "Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" wird zu einer der größten Theaterskandale der Weimarer Republik, die "Dreigroschenoper" der größte Bühnenerfolg.
Ein Freund in allen Lebenslagen
Doch nicht nur auf der Bühnen sind Brecht und Neher ein Team. Neher wird Brechts Helfer in allen Lebenslagen, selbst bei Liebeskummer:
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten trennen sich ihre Wege. Während Brecht ins Exil geht, arbeitet Neher weiter als Bühnenbildner. 1947 begegnen sich die Freunde wieder, Brecht will Neher unbedingt wieder in Berlin haben. Er schätzt seine reduzierten Bühnen-Entwürfe, weil sie helfen, seine Stücke besser zu verstehen.
Doch Neher kommt mit dem cholerischen Brecht immer weniger zurecht. Auch Brechts Wahlheimat-Heimat DDR sorgt für Diskussionen zwischen den Jugendfreunden. Als der Schriftsteller 1956 stirbt, kommt Neher nicht zur Beerdigung. Er selbst stirbt nur wenige Jahre später, 1962, in Wien.
Autor des Hörfunkbeitrags: Jürgen Werth
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 11. April 2022 an Caspar Neher. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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