14. August 1877 - Der Theologe Friedrich von Bodelschwingh wird geboren

Stand: 08.08.2022, 11:29 Uhr

Drei Mal wird Friedrich von Bodelschwingh auf einer Briefmarke verewigt: Seine Verdienste um die Bethel-Anstalten und die evangelische Kirche sind groß. Es gibt allerdings auch kritische Punkte in seinem Wirken.

"Pastor Fritz", wie Friedrich von Bodelschwingh genannt wird, übernimmt 1910 die Leitung der Anstalt Bethel am Rande der Stadt Bielefeld. Sein Vorgänger war sein Vater, Friedrich von Bodelschwingh der Ältere. Dieser hatte die ursprüngliche "Anstalt für Epileptische" erweitert und in Bethel umbenannt - das hebräische Wort bedeutet "Haus Gottes". Daraus werden später die "von Bodelsching'schen Anstalten", die mehrere Zweigstellen umfassen.

Dieses Projekt der sogenannten Inneren Mission der evangelischen Kirche setzt sich für Menschen mit Behinderung, Alte, Kranke und sozial Benachteiligte ein. Ende der 1920er-Jahre werden in Bethel weit mehr als 3.000 Menschen mit unterschiedlichen Handicaps versorgt. Dazu kommen viele Obdachlose.

Friedrich v. Bodelschwingh, Theologe (Geburtstag, 14.08.1877) WDR ZeitZeichen 14.08.2022 14:41 Min. Verfügbar bis 14.08.2099 WDR 5

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Mehr als 1.000 Behinderte sterilisiert

Der am 14. August 1877 in Gadderbaum bei Bielefeld geborene Pastorensohn setzt sich für einen respektvollen Umgang mit den Bewohnern ein. Doch als die Nationalsozialisten 1934 das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" erlassen, hat Bodelschwingh keine Kritik daran. Auch er befürwortet die Eugenik, die Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen.

Mindestens 1.175 Bewohnerinnen und Bewohner von Bethel werden mit Billigung ihres Leiters sterilisiert. Doch als die Nationalsozialisten 1939 ihr "Euthanasie"-Programm starten, empört sich Bodelschwingh. In Tötungsanstalten will er seine Patienten nicht schicken. Öffentlicher Protest, wie ihn später der Münsteraner Bischof Clemens Graf von Galen wagt, kommt für Bodelschwingh allerdings nicht infrage.

Zwischen Widerstand und Kooperation

Der Theologe sorgt sich um die Einheit der Kirche. Er will zwischen den nazi-konformen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche vermitteln. Bodelschwingh, der Streit verabscheut, führt auch Hintergrundgespräche mit der Regierung. Er verfasst eine Denkschrift für die Staatskanzlei mit, die aber nur sein Co-Autor Paul Gerhard Braune unterzeichnet. Pfarrer Braune, der die Bethel-Anstalt in Lobetal leitet, muss daraufhin drei Monate in Gestapo-Haft.

Als Bodelschwingh das Ausfüllen der Meldebögen für das "Euthanasie"-Programm verweigert, droht man auch ihm mit Verhaftung. Im Herbst 1940 lässt sich der Pfarrer darauf ein, einer NS-Ärztekommission Auskunft über die Untergebrachten zu erteilen. Als die Kommission im Februar 1941 nach Bethel kommt, hat man dort bereits alle Patienten in sieben Kategorien unterteilt.

Sieben jüdische Patienten abtransportiert

Heute ist die Forschung überwiegend der Ansicht, Bodelschwingh sei - als alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren -, bereit gewesen, einen Teil seiner Patienten zu opfern, um die anderen und die Anstalt als Ganzes zu retten. Sieben Patienten jüdischer Herkunft werden später in einer Tötungsanstalt ermordet. Im Sommer 1941 wird die "Euthanasie" aufgrund von Protesten von Angehörigen und Kirchenvertretern von Hitler offiziell gestoppt. Trotzdem sterben weiterhin Menschen in den Anstalten, an Hunger und an schlechter Versorgung.

Fritz von Bodelschwingh fühlt sich dem Dienst am Menschen verpflichtet. Doch die Frage, ob er das Richtige getan hat, bleibt offen. Kurz nach Kriegsende sagt er in einer Predigt: "Darum können und wollen wir uns der Verantwortung für Schuld und Schicksal unseres Volkes nicht entziehen." Er stirbt am 4. Januar 1946 in Gadderbaum bei Bielefeld.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Maren Gottschalk
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. August 2022 an Friedrich von Bodelschwingh. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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