Danach wird viel über Billigmode und "fast fashion" gesprochen. Das Kaufverhalten in den reichen Ländern verändert sich kaum.
Arbeitsplatz als tödliche Falle
Wie der Brand entstehen kann, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Entscheidender als die Brandursache ist allerdings der fatale Zustand des Gebäudes, der keine Flucht ermöglicht: Die Notausgänge verschlossen, die Fenster vergittert, zu viele Menschen auf kleinstem Raum: Die Näherinnen und Näher sind beim katastrophalen Brand in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karatschi in einer tödlichen Falle.
T-Shirts für die Wegwerfgesellschaft
Die Katastrophe wirft ein grelles Licht auf die Umstände, unter denen das deutsche Unternehmen "KiK" als einer der Hauptabnehmer der Fabrik seine T-Shirts für die westliche Wegwerfgesellschaft produzieren lässt.
"Der Kunde ist König"
"Kunde ist König", dafür steht das Akronym KiK. Gerade ein Jahr zuvor wird der Textildiscounter aus dem westfälischen Bönen bei einer Verbraucher-Umfrage in den Kategorien Damen- und Herrenmode erstmals zum "Händler des Jahres" gekürt.
Keine Beanstandungen der Brandschutzbestimmungen
Eine Verantwortung für das Feuer lehnt KiK ab und verweist auf mehrere Prüf-Verfahren, in denen externe Unternehmen im Auftrag des Discounters die Einhaltung von Brandschutzvorschriften geprüft – und nichts beanstandet hätten.
Arbeitsbedingungen geraten in den Fokus
Nur wenige Monate nach dem Feuer in Karatschi stürzt in Bangladesch das Rana Plaza ein - ein achtgeschossiger Gewerbekomplex voller Nähereien. 1.136 Menschen sterben, mehr als 2.000 werden verletzt.
Auch im Rana Plaza hatten westliche Textilfirmen wie Primark, Benetton, C&A und auch KiK produzieren lassen. Das Thema Billigmode ist nun endgültig in der Öffentlichkeit. Auch in der Bundesregierung wächst der Druck zu handeln. Im Oktober 2014 verkündet sie die Gründung des so genannten "Textilbündnisses".
Deutscher Minister mit lobenden Worten
Der damalige Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) lobt das Bündnis als "Ausgangspunkt für existenzsichernde Löhne, für sichere Arbeitsplätze, Stichwort Brandschutz, Arbeitsbedingungen, ökologische Mindeststandards, keine Kinderarbeit."
Deutsches Gericht weist Klage der Angehörigen zurück
Am 1. Januar 2023 wird zudem das Lieferkettengesetz in Kraft treten, das deutsche Unternehmen auf Umwelt- und Menschenrechtsstandards bei ihren ausländischen Zulieferern verpflichtet.
Für die Angehörigen in Karatschi kommt das zu spät. 2019 weist das Landgericht Dortmund außerdem die Klage von vier Opfer-Familien auf Schadenersatz mit dem Hinweis auf Verjährung ab.
Trotz Verbesserungen der Arbeitsbedingungen - Hauptsache billig
KiK tut nach den Katastrophen einiges dafür, dass die Zulieferer den Arbeitsschutz ernster nehmen. Unternehmens-Chef Patrick Zahn lässt sich im Frühsommer 2022 in Bangladesch und Pakistan Löschübungen zeigen und spricht mit Beschäftigten.
"Ich glaube schon, dass KiK mehr macht als andere Unternehmen", sagt die Juristin Miriam Saage-Maaß von der Menschenrechtsorganisation ECCHR in Berlin. "Und ich glaube dennoch, dass sie zu sehr in ihrer eigenen Unternehmenslogik verhaftet sind" - und die heiße für deutsche Kundinnen und Kunden nach wie vor: Hauptsache billig.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Edda Dammmüller
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 11. September 2022 an den Brand in einer pakistanischen Textilfabrik mit mehr als 250 Toten. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 12.09.2022: Vor zehn Jahren: Fund des vermutlichen Skeletts Richard III.