Erwin Stadler ist gerade drei Jahre alt, da nimmt sein Leben eine entscheidende Wende. Der heute 63-jährige Unternehmer wächst in einer vielköpfigen armen Bauernfamilie auf, Vater und Mutter sind Alkoholiker. Auf Betreiben des Jugendamtes findet er damals mit drei Geschwistern im SOS-Kinderdorf Moosburg eine neue Heimat.
"Dem Kinderdorf kann ich gar nicht dankbar genug sein. Meine Kindermutter hat mir sehr viel Liebe, Geborgenheit, Fürsorge gegeben", erinnert sich Stadler an seine Jahre in Moosburg (geschütztes Zitat aus Film "SOS-Kinderdörfer weltweit").
Die sogenannten Sozialwaisen werden von einer Ersatzmutter betreut, die ihren Schützlingen die emotionale und soziale Stabilität bietet, die sie von den leiblichen Eltern nicht bekommen. "So effektive Arbeit leisten die, dass du später voll im Leben stehst und die besten Möglichkeiten für die Zukunft hast", urteilt Stadler im Rückblick (geschütztes Zitat aus Film "SOS-Kinderdörfer weltweit").
Schockierendes Elend der Kriegskinder
Begründet hat das größte private Sozialwerk der Kinderhilfe der Österreicher Hermann Gmeiner. Der 1919 geborene Bergbauernsohn durchlebt als Halbwaise eine harte Kindheit; aufopferungsvoll kümmert sich die älteste Schwester Elsa um ihre Geschwister. Dank eines Stipendiums kann Hermann aufs Gymnasium gehen, kurz vor dem Abitur aber muss er in den Weltkrieg ziehen.
Mehrfach verwundet kehrt Gmeiner 1945 nach Innsbruck zurück und holt das Abitur nach. Schockiert vom Elend zahlloser verwahrloster Kriegskinder engagiert er sich in der kirchlichen Jugendarbeit. "Eines Tages habe ich es nicht mehr ertragen", erzählt Gmeiner. "Da habe mir gesagt: Jemand muss was tun. Man muss ein Modell schaffen."
Ein Tiroler Bürgermeister hilft
Gmeiners Idee ist geprägt durch das Vorbild seiner Schwester Elsa: Man muss den Kindern eine Mutter, Geschwister, ein Haus und ein Dorf geben. Mit nur 600 Schilling in der Tasche gründet Hermann Gmeiner 1949 den Kinderdorf-Verein "Societas Socialis". Von Politikern, Behörden und Kirchen als Sozialspinner belächelt, sucht Herman Gmeiner mit Flugblättern nach Förderern.
Im kleinen Tiroler Dorf Imst findet er Gehör: der Bürgermeister, selbst ein Waisenkind, schenkt dem Verein ein Grundstück. Mit erbettelten Spenden errichtet Gmeiner das erste Haus, das an Weihnachten 1950 von fünf Waisenkindern bezogen wird. Am 15. April 1951 kann Gmeiner das auf fünf Häuser gewachsenes erste SOS-Kinderdorf in Imst offiziell eröffnen.
Keine Zeit für eigene Familie
Kompromisslos stellt Gmeiner sein Leben in den Dienst des Vereins. Zunächst in Österreich, dann in Deutschland, Frankreich und Italien entstehen neue SOS-Kinderdörfer. Zur Gründung einer eigenen Familie bleibt Gmeiner keine Zeit; "Ich habe mich aufgegeben und mein Leben mit diesen Kindern geteilt. Nur durch diese absolute Konsequenz ist es gelungen."
Als Hermann Gmeiner nach 37 Jahren rastlosem Einsatz für sein Sozialwerk im April 1986 stirbt, gibt es bereits 233 SOS-Kinderdörfer in 85 Ländern. Heute, 70 Jahre nach Gründung der "Societas Socialis", betreut der Verein 570 Dörfer in 135 Ländern.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Ariane Hoffmann
Redaktion: Gesa Rünker
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 15. April 2021 an das erste SOS-Kinderdorf. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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