Geboren wird Ernst Poensgen am 19. September 1871 als Spross einer weitverzweigten Industriellen-Dynastie in Düsseldorf. Schon in der Schulzeit fällt sein sportliches Interesse auf, das er zeitlebens beibehält. Er mischt in vier Düsseldorfer Sportvereinen mit und – für diese Zeit und in seiner Position sehr ungewöhnlich – fährt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit.
Seine Karriere beginnt Ernst Poensgen in Straßburg und Berlin, wo er Mathematik, Chemie und Hüttenkunde studiert. In Berlin entwickelt er auch seine Leidenschaft fürs Theater. Zurück in Düsseldorf fördert er Gustav Lindemann und Louise Dumont, die das Schauspielhaus Düsseldorf zu nationalem Ruhm und Glanz führen. Vor allem die Ibsen-Inszenierungen des Künstler-Ehepaars begeistern den Mäzen.
Kartelle gegen Preisdumping
Sein Geld verdient Ernst Poensgen erst als Ingenieur im Familienunternehmen, steigt dann zum Leiter der Düsseldorfer Röhren- und Eisenwalzwerke AG auf. Die Branche kommt in der Wirtschaftskrise der 1920er Jahre unter Druck. Der Unternehmer ist überzeugt, dass die konkurrierenden Stahlgrößen an Rhein und Ruhr durch ein Zusammenrücken mehr Schlagkraft bekommen würden.
"Er war der Mann des deutschen Kartellwesens bei Eisen und Stahl", erzählt der Historiker Ingo Wuttke. Noch gelten Kartelle als "Kinder der Not", um dem großen Konkurrenzdruck und Preisdumping zu begegnen. Anders als heute hatte seinerzeit selbst "ein liberaler Wirtschaftswissenschaftler wie Joseph Schumpeter überhaupt keine Probleme mit Kartellen und Syndikaten", erklärt Wuttke.
Umstrittene Rolle während der NS-Zeit
Nach jahrelangen Verhandlungen werden 1926 die "Vereinigten Stahlwerke" gegründet. Zwei Dutzend Firmen verschmelzen zum zweitgrößten Stahlkonzern der Welt. Ernst Poensgen wird stellvertretender Vorstandsvorsitzender, 1935 übernimmt er die Leitung und muss sich nun mit dem Hitler-Regime arrangieren. Poensgen glaubt, Hitler und die Nationalsozialisten instrumentalisieren zu können.
"Er hat sich durchaus opportunistisch verhalten", sagt Benedikt Mauer, Leiter des Düsseldorfer Stadtarchivs. "Und ich bin auch sicher, dass er sich als Industrieller schuldig gemacht hat." In seinen Werken werden Rüstungsgüter produziert und Zwangsarbeiter eingesetzt. Aber Ernst Poensgen gilt nicht als Nationalsozialist.
Ausreise nach Österreich
Er verhindert nachweislich gemeinsam mit Schauspieler-Legende Gustaf Gründgens, dass sein jüdischer Freund Gustav Lindemann in ein Konzentrationslager deportiert wird. Im Laufe der Zeit wird seine innere Distanz zur Wirtschaftspolitik der NSDAP immer größer. 1942 legt Ernst Poensgen alle Ämter nieder und zieht erst in das von Deutschland besetzte Österreich und dann in die Schweiz. Er stirbt 1949 in Bern.
In Düsseldorf trägt heute eine Straße seinen Namen. Anfang 2020 befand eine städtische Kommission, die die Biografie von zweifelhaften Straßennamensgebern unter die Lupe nahm: Der Industrielle sei ein minderschwerer Fall in der NS-Zeit gewesen. Die Ernst-Poensgen-Allee bleibt bestehen.
Autor des Hörfunkbeitrags: Kay Bandermann
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. September 2021 an Ernst Poensgen. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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