Am Nachmittag des 13. Oktober 1977 laufen die ersten Meldungen über die Agenturen: Ein Urlaubsflieger der Lufthansa ist auf dem Weg von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main vom Kurs abgewichen. Vier palästinensische Terroristen des Kommandos "Martyr Halimeh" haben die Boeing 737 "Landshut" unter ihre Kontrolle gebracht. An Bord sind 86 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder.
Die Flugzeugentführung ist eine weitere Eskalationsstufe im sogenannten Deutschen Herbst. Bereits am 5. September hatte die "Rote Armee Fraktion" (RAF) in Köln den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entführt. Ihr Ziel ist die Freilassung elf inhaftierter RAF-Mitglieder. Doch darauf hat sich die Bundesregierung bislang nicht eingelassen. Die Aktion der "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP) soll der RAF-Forderung nun Nachdruck verleihen.
GSG-9 folgt "Landshut"
In der Bundesrepublik wird umgehend die GSG-9 alarmiert. Die Spezialeinheit der Bundespolizei ist gerade dabei, im Kölner Uni-Center hunderte Wohnungen nach Schleyer zu durchsuchen. "Wir haben sofort im Hochhaus abgebrochen", sagt der ehemalige GSG-9-Beamte Dieter Fox. Am Flughafen Köln/Bonn besteigt er zusammen mit seinen Kollegen eine Boeing 707, die im Auftrag des Bonner Krisenstabes der "Landshut" nachfliegt.
Die ersten Zwischenstationen sind Rom und Larnaca auf Zypern. Nach der Landung in Ankara berichtet die "Tagesschau", dass an Bord der Boeing 707 neben Ärzten und Krankenschwestern auch rund 30 Mitglieder der GSG-9 seien. Daraufhin wird der Einsatz beendet - zumindest offiziell. "Aber es war schon so geplant, dass wir am nächsten Morgen direkt wieder losfliegen", sagt der frühere GSG-9-Mann Werner Heimann.
Pilot Schumann in Aden von Palästinensern erschossen
Die Route der "Landshut" gleicht einem Irrflug. Die Maschine erhält an mehreren Flughäfen keine Landeerlaubnis. Auch in Aden im Südjemen ist das der Fall. Darum beschließt Flugkapitän Jürgen Schumann auf einer Sandpiste neben den Landebahnen notzulanden. Bevor die "Landshut" wieder abheben soll, darf Schumann deshalb das Fahrwerk prüfen. Als der Pilot aus Sicht der Terroristen verspätet in das Flugzeug zurückkehrt, wird er erschossen.
Co-Pilot Jürgen Vietor muss die "Landshut" allein nach Somalia fliegen. Am Flughafen Mogadischu wird Schumanns Leiche über eine Rutsche am Heck hinausgeschoben. Stunden später landet auch das Einsatzkommando der GSG-9 und bringt sich in Stellung. Der Einsatz beginnt in den Nachtstunden. "Man nähert sich ja von rückwärts an", sagt Dieter Fox. Am 18. Oktober um 00.05 Uhr beginnt die "Operation Feuerzauber".
GSG-9 befreit in Mogadischu alle Geiseln
"Dann wurden die Türen aufgemacht, die Teams sind eingedrungen, haben gerufen", so Fox. "Ich bin hinten rechts reingegangen in die Maschine. Mein Ruf war: 'Köpfe runter, wo sind die Schweine?'" Drei der vier Geiselnehmer sterben im Kugelhagel. Um 00.38 Uhr meldet der Deutschlandfunk: "Die von Terroristen in einer Lufthansa-Boeing entführten 86 Geiseln sind alle glücklich befreit worden."
Gegen sieben Uhr früh werden in der JVA Stuttgart-Stammheim die RAF-Mitglieder Andreas Baader und Gudrun Ensslin tot, Jan-Carl Raspe sterbend und Irmgard Möller schwer verletzt aufgefunden. Die Behörden gehen von Suizid beziehungsweise Selbstverletzung aus. Die Anwälte der toten Häftlinge sprechen von möglichem Mord. Die überlebende Möller vertritt später die Ansicht, es habe sich um eine Geheimdienst-Operation gehandelt.
RAF erschießt Schleyer nach 43 Tagen
Die Reaktion der RAF auf die "Landshut"-Befreiung und die Tode in Stammheim: 43 Tage nach seiner Entführung wird Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer mit drei Kopfschüssen umbracht. Seine Leiche wird am 19. Oktober im Elsass im Kofferraum eines Autos gefunden.
Autor des Hörfunkbeitrags: Martin Herzog
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 13. Oktober 2022 an die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut". Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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