1833 kommt für den britischen Romancier Edward George Bulwer-Lytton einiges zusammen: ein Beinahe-Nervenzusammenbruch aufgrund von Überarbeitung, schlechte Rezensionen der britischen Literaturkritik und schließlich eine große Ehekrise.
Ein Freund rät dem Schriftsteller deshalb zu einer Auszeit. Der 30-Jährige - der damals nur den Familiennamen seines verstorbenen Vaters, des Generals Bulwer trägt - fährt daraufhin mit seiner Frau Rosina nach Italien. Doch so richtig Zeit hat er für sie auch dort nicht. Denn wegen der Heirat mit Rosina hat ihm seine Mutter, Baronin Lytton, den Geldhahn zugedreht. Darum arbeitet er auch in Italien mit Hochdruck weiter und recherchiert in Rom über den mittelalterlichen Volkstribun Rienzi.
Historisch nicht ganz korrekt
Rund 300 Seiten des Rienzi-Romans - etwa die Hälfte - sind bereits fertig, als Edward-Georges Bulwer vom Archäologen Sir William Gell zu dessen Arbeitsstelle mitgenommen wird: den Ausgrabungsstätten von Pompeji - der kleinen Stadt bei Neapel, die in der Römerzeit vom Ascheregen des Vulkans Vesuv zerstört wurde. Als studierter Historiker ist der Autor fasziniert. Detailreich zeichnet er in seinem sofort begonnenen Roman "Die letzten Tage von Pompeji" das damalige Leben nach.
Die Fakten kombiniert Bulwer mit einer hochdramatischen Handlung um Liebe, Intrige und Tod. Historisch schummelt er jedoch. Die römische Dekadenz ist im untergehenden Pompeji - trotz erotischer Wandmalereien und blutiger Gladiatorenspiele - nicht so fortgeschritten wie dargestellt. Auch die Christen haben im Jahr 79 - anders als im Roman dargestellt - noch keinen Einfluss in Pompeji.
Auch politisch aktiv
Mit den internationalen Erfolgen von "Pompeji" und "Rienzi" kann der am 25. Mai 1803 in London geborene Edward George Bulwer seine Ehe jedoch nicht retten. Dafür gilt er neben Charles Dickens und William M. Thackeray zu den bekanntesten Autoren der viktorianischen Epoche.
Neben seiner literarischen Dauerproduktion - auch von Dramen, Krimis und Geistergeschichten - ist Bulwer zudem politisch aktiv. Zunächst zieht er für die Liberalen ins Unterhaus ein und gilt als Reformpolitiker. Er setzt sich für die Abschaffung der Sklaverei und die Einführung eines Copyrights ein.
Zwei Schädel auf dem Schreibtisch
Doch als ihm der letzte Wille seiner Mutter den Doppel-Namen Bulwer-Lytton und ihr Herrenhaus beschert, wechselt der Schriftsteller zu den Konservativen und steigt bis zum Kolonialminister auf. Nach der Ernennung zum erblichen Peer darf er als Hochadeliger im Oberhaus Platz nehmen, im "House of Lords". Zuvor hat Bulwer die Aristokraten in seinen Büchern oft gescholten, ab 1866 ist er selber einer.
1871 verfasst er den Roman "Das kommende Geschlecht". In diesem Vorboten der Science-Fiction-Literatur leben die Menschen unter der Erde und haben das Energieproblem gelöst. Zu diesem Zeitpunkt stehen auf dem Schreibtisch im Herrenhaus längst die ausgegrabenen Schädel der beiden im "Pompeji"-Roman erwähnten Isis-Priester - ein Geschenk zur Inspiration seines Schaffens. Edward George Bulwer-Lytton stirbt am 18. Januar 1873 in Torquay.
Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vormweg
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 25. Mai 2023 an Edward George Bulwer-Lytton. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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